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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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vor, Krauss stieg ein und nannte dem Fahrer die Adresse.
»Worringer Straße, Ecke Friesenplatz.«
    Der Fahrer, eine
vierschrötige Gestalt mit Blumenkohlnase und Schlägermütze, brachte den Audi
auf Touren. »Neu hier in der Stadt?«, fragte er.
    »Wie man's nimmt«, antwortete Krauss.
    »Wollen noch mal jemanden besuchen, bevor et losjeht, wa?« »Bevor was
losgeht?«
    Der Fahrer sah in den Rückspiegel. »Der Krieg natürlich. Wat glauben Sie
denn?«
    Krauss reagierte nicht sofort.
    »Wissense denn nicht, dat der Führer et leid ist mit die Polen? Et kann
jeden Tag losgehen, wenn se mich fragen.« Krauss murmelte etwas. »Wat? Ick kann
se nich verstehen.«
    »Ich sagte, der
Krieg hat längst begonnen. Wir sind schon lange im Krieg.«
    Der Fahrer schob
an seiner Mütze herum und kratzte sich am Hinterkopf. »Wie meinen se denn det
jetzt?«
    »Schon gut, schon gut. Fahren Sie einfach.«
    Der Fahrer
schwieg beleidigt. Krauss waren die Befindlichkeiten des Mannes hinterm Steuer
egal, er nutzte die Tour als Stadtrundfahrt, betrachtete teils mit Abscheu,
teils mit Interesse, was die Nazis aus der Metropole gemacht hatten. Auf den
Bürgersteigen flanierten Spaziergänger, von Sorge oder gar Panik vor einem
neuen Krieg war hier nichts zu spüren, die Menschen gingen ihren täglichen
Beschäftigungen nach. Wenn überhaupt, waren es die überall im leichten
Augustwind wehenden Hakenkreuzfahnen, die Böses ahnen ließen.
    Ab und zu inspizierte der Fahrer unauffällig seinen Gast im Rückspiegel,
aber der starrte stoisch aus dem Fenster. Wenn er einmal nach vorne sah,
wandte der Taxifahrer seine Augen ab. Ihm war dieser Mensch unheimlich. Hätte
er nicht so unglaublich arisch gewirkt, hätte der Chauffeur diese Begegnung
vielleicht gemeldet. Aber dem Aussehen seines Passagiers nach zu urteilen
fürchtete er, es mit einem Agenten der Gestapo oder des SD zu tun zu haben. Mit
denen ließ man sich am besten nicht näher ein.
    Am Ziel
angekommen, blieb er dennoch im Wagen sitzen. Rausfinden würde der Kerl schon
alleine.
    »Macht 3,50 Mark.«
    Krauss zahlte und stieg aus. In der Straße besaßen fast alle Häuser einen
Hinterhof, und so wählte er einen Durchgang auf der gegenüberliegenden
Straßenseite des Hausdurchgangs, den er beobachten wollte. Wenn in »Auerbachs
Keller« heute jemand anwesend war, würde er dies sofort sehen - mindestens
eine Wache war Vorschrift.
    Krauss lobte sich sofort für seine Intuition. Gleich zwei Gestalten
lungerten vor dem Eingang herum, rauchten und quatschten. Er kannte keinen von
ihnen, sie waren zu jung, um Edgars Bruder persönlich erlebt zu haben. Darauf
hatte er spekuliert. Er zog sich gerade so weit in den Durchgang zurück, dass
er von der gegenüberliegenden Straßenseite nicht gesehen werden konnte.
    Eine halbe Stunde verging. Die beiden Wächter wirkten gelangweilt. Der
eine sagte ein paar Worte und verschwand in einer Tür im Durchgang. Darauf
hatte Krauss gewartet. Er ging ohne Eile quer über die Straße auf den Mann zu.
Erst als er fast die andere Straßenseite erreicht hatte, wurde der Wächter
aufmerksam.
    Krauss sprach ihn an. »Entschuldigung, aber ist das hier die Worringer25?«
    Der junge Mann schaute genervt. »Nee, Meister, da sind Sie ein paar Häuser
zu hoch.«
    »Oh, verdammt. Das ist heute nicht mein Tag. Welche Richtung war das
noch?«
    Krauss stand jetzt unmittelbar vor dem Sohn Odins, den er auf Anfang
zwanzig schätzte. Edgar hatte ein Faible für junges Blut. Es tat ihm leid für
den Mann, aber er hatte dieses Leben selbst gewählt - mit allen Konsequenzen.
    Der Wächter wurde
unwirsch, weil Krauss zwei Schritte in den Durchgang tat. »He, he, Freundchen.
Bis hierhin und nicht weiter.«
    Krauss ließ sich
nicht beirren. Er sah sich suchend um und ging noch einen Schritt weiter, so
dass er im abgeschatteten Bereich des Durchgangs stand. Von der
sonnenbeschienenen Straße aus war er nur noch schlecht zu erkennen.
    Der Wächter griff
nun Krauss' Arm. »Raus hier, Freundchen. Sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen.«
    »Ja, bin ja schon weg, nur die Ruhe.« Krauss holte eine Zigarettenschachtel
aus der linken Manteltasche und schnippte eine Kippe raus. Dann griff er in
die rechte Tasche, umklammerte mit der Linken blitzschnell den Hals des
Wächters und drückte ihn mit zwei Schritten an die Wand direkt vor der Tür, die
hinunter zu »Auerbachs Keller« führte. Der Junge war so überrascht von der
plötzlichen, brutal ausgeführten Attacke, dass er kaum reagierte.

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