JörgIsring-UnterMörd
so
zurechtgelegt, dass sie hineinpassten. Was durch das
Raster fiel, hatte eben Pech gehabt. Mit dem, wie die Welt wirklich ist,
hatte das selten etwas zu tun.«
Krauss fragte sich, wie viel er Oda erzählen durfte. Er war sich nicht
einmal sicher, ob sie für Edgar arbeitete. Selbst wenn sie die Wahrheit sagte,
war Göring nicht gerade die Adresse seines Vertrauens. Andererseits wussten
sowohl Edgar als auch der Feldmarschall von dem Jungen, und es schadete nicht,
Oda über das aufzuklären, was tatsächlich passiert war. Solange er Philipps Aufenthaltsort
für sich behielt. Oda sollte ruhig erfahren, mit was für pervertierten Menschen
sie arbeitete. Er holte tief Luft.
»Kurz nach seiner Machtübernahme hat Hitler darüber nachgedacht, wie es
mit dem Deutschen Reich weitergehen würde, wenn er nicht mehr da wäre. Genug
Versuche, ihn aus dem Weg zu räumen, hatte es ja damals schon gegeben. Außerdem
glaubte er, dass er kein hohes Alter erreichen würde. Doch wer sollte dann
seine Position einnehmen? Er hielt niemanden für geeignet. Göring? Zu weich, zu
eitel. Heß? Zu wenig Charisma, zu phantasielos. Goebbels? Keine
Persönlichkeit, zu der man aufsah. Und so weiter. Niemand war in seinen Augen
gut genug. Nur in seinen Genen schlummerten die Fähigkeiten, die einen Führer
des Reiches auszeichneten. Was also tun?«
Krauss schaute Oda auffordernd an. Sie zuckte mit den Schultern. Er fuhr
fort. »Hitler entschied, einen Stammhalter zu zeugen. Damit es auch wirklich
funktionierte und die Chance auf einen Jungen bestand, denn nur ein Junge kam
selbstverständlich für ihn in Frage, versuchte er, vier Frauen zu schwängern.
Sie waren nach allen denkbaren Rassekriterien ausgesucht worden. Natürlich
öffneten sie ihren Schoß freiwillig für den geliebten Führer. Die Frauen
wussten nichts voneinander. Jede dachte, sie wäre als Einzige auserkoren, ihrem
Führer einen Sprössling zu schenken. Alle wurden zu strengstem Stillschweigen
verpflichtet, denn ihre Kinder sollten später nicht zum Ziel von Attentätern
oder Entführern werden. Aber es lief nicht wie geplant. Nur drei Frauen wurden
tatsächlich schwanger. Eine verlor ihr Kind sehr früh, es war ein Junge. Die
zweite brachte ein behindertes Mädchen zur Welt. Es starb wenige Tage nach der
Geburt. Die dritte allerdings gebar einen gesunden Jungen. Etwas klein, aber
gesund.
Adolf junior. So hat ihn sein Vater genannt. Die Mütter ließ er
verschwinden. Er wollte niemanden, der später Ansprüche auf das Kind stellte.
Hitler war sich zwar bewusst, dass die Mutter bei der Erziehung eine wichtige
Rolle spielt, aber er wollte keinen Muttersohn als Statthalter. Edgar hat sich
um die Frauen gekümmert.«
Oda war seinen
Worten zusehends entgeistert gefolgt. Krauss sah ihr die Abscheu an. Er hatte
darauf spekuliert. Keine Frau ließ diese monströse Geschichte unberührt.
Oda sprach sehr
leise. »Stimmt das? Sagst du die Wahrheit, Richard?«
»Warum sollte ich lügen? Glaubst du, ich denke mir so etwas aus? Du hast es
hier mit Wahnsinnigen zu tun, wusstest du das nicht?«
»War Göring darüber informiert?«
»Keine Ahnung. Hitler hat sich nur sehr wenigen anvertraut. Edgar und seine
Abteilung sollten das Kind abschirmen. Ab diesem Zeitpunkt nannten sie sich
die >Söhne Odins<. Aber selbst wenn Hitler Göring nicht eingeweiht hat,
würde es mich doch wundern, wenn der von dem Plan nicht Wind bekommen haben
sollte. Das war doch ein gefundenes Fressen für sein Forschungsamt, auch wenn
es damals erst im Aufbau begriffen war.«
Oda biss sich auf die Unterlippe.
Göring hatte ihr
gegenüber wahrscheinlich den Ahnungslosen gespielt, dachte Krauss. Vielleicht
war er es ja.
Odas Stimme hatte ihren harten Unterton verloren. »Wie ging es weiter?«
»Der kleine Adolf kränkelte, in diesem Punkt hast du recht. Edgar
entschied, eine speziell ausgebildete und vertrauenswürdige Krankenschwester
hinzuzuziehen. Hilde, seine Frau, hatte ihm Hanna empfohlen. Mich betraute er
damit, für die Sicherheit des Jungen zu sorgen. Auch das stimmt. Aber ich weiß
nicht, ob Edgar dir etwas von Hitlers Erziehungsplan für seinen designierten
Nachfolger erzählt hat?«
Oda schüttelte den Kopf.
»Adolf junior sollte nicht aufwachsen wie jeder x-beliebige Junge. Hitler
wollte ihn so früh wie möglich auf seine zukünftige Aufgabe vorbereiten, ihn
durch die nationalsozialistische Lehre prägen. Es sollte kein Raum für
Eventualitäten bleiben. Adolf junior würde ein Volk zu führen
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