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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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dunkler. Die Flamme eines Feuerzeugs, das Ostrowski angemacht hatte, beleuchtete für einen Augenblick den Raum, die Türe war direkt vor ihnen. Die Flamme ging aus, Thewe blieb stehen, und da flutete durch den Türspalt der aufgedrückten Türe das Licht auch schon herein, fahl, aber extrem hell.

XII
    Das riesige Einkaufszentrum am Ende der Ausfallstraße aus Krölpa heraus, auf das Thewe hinter Ostrowskis Ford Transit Sprinter in seinem dunkelgrünen Jaguar zufuhr, war eine Schrottimmobilie aus der Zeit von Kohls blühenden Landschaften des Ostens, die der Brache am Stadtrandvon Krölpa den Flair einer avanciert heruntergewirtschafteten Dying City gab. Noch nie hatte Thewe dort jemanden einkaufen gesehen. Als die beiden Wagen auf den fast leeren Parkplatz fuhren, läutete sehr hell eine Kirchenglocke. Zwischen dem Einkaufszentrum und der neu erbauten Müllverbrennungsanlage war damals, Anfang der 90 er Jahre, auch gleich ein Kleinkrematorium für die Toten von Westkrölpa errichtet worden. Die Kredite wurden der Stadt von westdeutschen Banken geschenkt, und die Stadt konnte dadurch die Anlage günstig an die von der Stadt unabhängige städtische Betreiberfirma mit hohem Gewinn zurückvermieten. Es dauerte einige Jahre, bis klar war, dass dieser hohe Gewinn dadurch entstand, dass die Stadt ihre eigenen Betreiberfirmen mit hohen Zahlungen, die in den ersten Jahren noch aus dem Sonderetat Aufbau Ost geleistet werden konnten, selbst subventionieren musste, und dass für die ursprünglich kostenlosen Kredite mit der Zeit jährlich steigende Zins- und Tilgungskosten fällig wurden, durch die der Haushalt der Stadt immer stärker belastet wurde. Die früheren Staatssicherheitsmitarbeiter der DDR , die zunächst als städtische Neupolitiker aller Parteien mit Bonuszahlungen dazu motiviert worden waren, diese den Kapitalismus verhöhnenden Geschäfte für die Stadt abzuschließen, hatten sich inzwischen auf die von ihnen gegründeten Firmen, deren Existenz durch langjährige Verträge mit der Stadt gesichert war, und auf die dort im Verhältnis zur Größe der Firma grotesk überhöht dotierten Geschäftsführerposten zurückgezogen. Sie verfolgten ihre eigenen Deals am Kapitalmarkt mit den Geldern, die sie aus den von ihnen gekaperten Firmen herauszogen. Für die so in die Insolvenz geschickten Firmen musste die Stadt rettende Auffanggesellschaften gründen, wodurch neue städtische Zahlungsverpflichtungen entstanden, die aber bei keiner konkreten Person, schon gar nicht bei denalten DDR -Seilschaften, sondern nur wieder bei der Stadt, die sowieso schon pleite war, als ganzer lagen.
    Thewe hatte als Chef der Gesamtholding für Krölpa, der Assperg Dienste Krölpa GmbH, von Holtrop im Jahr 2000 umbenannt in Arrow PC , mit den Stadtpolitikern viele Geschäfte auf Gegenseitigkeit machen müssen, anders wären die Genehmigungen nicht erteilt worden, die für den von Wenningrode massiv forcierten Ausbau des Standorts Krölpa nötig gewesen waren. Gegen Ende der 90 er Jahre waren die Forderungen nach seitwärts und nebenher der Stadt und den Politikern zuzuwendenden Geldern immer offensiver und dreister geworden, weil alle festgestellt hatten, dass umso mehr Geld da war, je mehr gefordert wurde. Der jetzige Bürgermeister Schomburgk war zwar die seit Jahren integerste Figur an der Spitze der Stadt, aber auch er war nur Bürgermeister von Gnaden der im Boriéclub sich versammelnden Obristen und Generäle des früheren Staatssicherheitsdienstes der umliegenden Bezirke von Gera, Erfurt, Halle und Suhl. Die Wirtschaft der DDR war zwar zusammengebrochen, aber das System der Macht, Gesinnungskorruption, parteigeleitete Menschenverachtung und Aushöhlung der staatlichen Institutionen, das der DDR -Staat kultiviert hatte, hatte die überlegenen Apparatschiks der Macht produziert und so selbst überlebt. Mafiös organisierte DDR -Kaputtheit regierte heute den Osten, wie früher auch. Fast zehn Jahre hatte Thewe hier gearbeitet, die Verhältnisse waren kaputt, aber sie funktionierten.
    Vor dem Einkaufszentrum parkten am Straßenrand illegal zwei Wohnwagen, das war der Thai-Imbiss, unter den Vordächern standen einige Leute beim Essen. Ostrowski fuhr an den Rand des Parkplatzes, Thewe blieb weiter vorne stehen. Er drückte einen Schalter, drehte den Kopf nach links und sah, wie der Rand der Seitenscheibe leiseächzend aus dem Schutzfutter der Türe hervorkam und sich langsam nach unten senkte, während Ostrowski aus der Ferne durch den

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