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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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Regen hindurch, in eine monströse Regenjacke gehüllt, die Kapuze über den Kopf gezogen, auf Thewes Jaguar zuging. Gleich würde Ostrowski dastehen, und Thewe musste dann entschieden haben, Essen beim Thai und Treffen danach mit Sprißler oder Rückfahrt sofort nach Berlin, um abends Leffers zu sprechen, oder beides oder keins von beidem. Thewe fühlte sich sogar für eine solche Entscheidung zu schwach. Der Schlag ins Gesicht, den Holtrop ihm gegeben hatte, hatte ihn nicht paradox gekräftigt. Es war sehr lange her, dass er sich so stark gefühlt hatte wie Ostrowski, der jetzt unwiderstehlich gutgelaunt vor ihm stand. Belustigt fragte Ostrowski: »Ist Ihnen zu nass heute?« »Ja.« »Sie bleiben also sitzen?« »Nein.« »Was kann ich Ihnen bringen?« »Danke, nichts.« »Herr Thewe!« »Ja.« »So können wir nicht arbeiten!« »Ich weiß.« Dann war Thewe, der zu Beginn des Wortwechsels noch sofort nach Berlin weiterfahren wollte, um in Ruhe über alles nachdenken zu können, plötzlich doch dazu entschlossen gewesen hierzubleiben, um mit Sprißler zu sprechen. Er stieg aus seinem Auto aus, warf die Türe zu und ging hinter Ostrowski auf die anderen Arbeiter beim Thai-Imbiss-Wohnwagen zu. Dort stand er und schaute, während die Kollegen schon bestellten, auf die ausgeblichenen Schaubilder der mindestens vierzig angebotenen Gerichte, abgestoßen von der Vorstellung, gleich die Worte »Schabbi Mirch« aussprechen zu müssen. Und als er an der Reihe war, sagte er einfach: »Einen doppelten Döni bitte.« »Weißrot, gelb, weiß oder rot?« »Bitte mit allem.« Der Döni wurde, in der Kartonschale angerichtet wie bestellt, über den Tresen gereicht, Thewe bezahlte DM 1,60 , nahm den Döni, eine Art Wursthack mit gedünstetem Altgemüse auf Vollfleisch und Dicknudelsud, und ging an den Stehtisch,der unter dem Vordach des zweiten Wohnwagens aufgestellt war, zu den Kollegen, die mit ihrem Essen, zwei Minuten nachdem sie damit angefangen hatten, schon fertig waren. Thewe stellte sich dazu und fing zu essen an, und die anderen Männer schauten ihm beim Essen zu.

XIII
    »Ja natürlich wird man leben«, sagte Thewe, »aber es wird kein schönes Leben sein«, dabei schaute er auf den Teppichboden von Sprißlers Bürozimmer im Arrowhochhaus. Sprißler fragte nicht nach, das war ihm zu kaputt, nur eine weitere Bestätigung des Ruins der vom Alkohol zerstörten Theweschen Persönlichkeit. Thewe ging vom Fenster zurück zur Sitzgruppe, das Gespräch mit Sprißler hatte ergeben, dass auch Sprißler, der in Krölpa alles wusste, ihm nicht helfen wollte. Sprißler stand neben einem der beiden schwarzen Sessel am Couchtisch. Thewe ging auf den anderen Sessel zu, um sich nocheinmal zu setzen, aber Sprißler blieb stehen. Er sagte nichts mehr, die Unterredung war beendet. Die Modernität der Einrichtung des Büros von Sprißler war auf eine kühle Neutralität ausgerichtet, aber das Schwarz und Grau der Möbel, der Teppich, die Türen, die Lampen aus Stahl und eine mitten am Hals geköpfte gläserne Vase, aus der eine einzelne Orchideenblüte herausragte, es wirkte all dies auf eine grelle Art kalt und ordinär. Thewe atmete hörbar aus und nahm die Hände auseinander. Er wollte die fällige Verabschiedung einleiten. Sprißler machte noch eine Geste nach hinten zur Wand, wo ein kleines Bild von Penck oder Meese hing, und sagte: »Eines will ich Ihnen noch zeigen.« »Was denn?« Sprißler ging auf das Gemälde zu, auf dem ein Militär mit Totenkopfkreuz zu sehen war, hängte es ab und öffnete den dort dahinter in der Wand befindlichen Tresor. Er winkte Thewe heran und forderte ihn auf, in den Tresor hineinzuschauen. Dort war eine Kasse, ein Stein und ein Stapel Papiere zu sehen. Sprißler nahm die Papiere an sich, dahinter wurde ein Metallgegenstand sichtbar, und machte den Tresor wieder zu. Dann hängte er das Bild zurück an die Wand. »Ein starkes Bild«, sagte er. Thewe widersprach nicht, obwohl auch das Bild nur brutal und ordinär war. »Das sind die Beweise und Belege«, sagte Sprißler und rollte die Papiere zusammen, »kommen Sie mit.«
    Sie fuhren mit dem Aufzug in den unter der Tiefgarage gelegenen Heizungskeller im zweiten Untergeschoss. Dort gingen sie durch gelbbraun beleuchtete, von Rohren an der Decke und an den Seiten durchzogene Gänge um mehrere Ecken herum zur Steuerstelle für die Heizung. Sprißler öffnete die Türe. Es brannte Licht, der Wachmann, der hier Dienst hatte, schaute erstaunt, er war gerade am

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