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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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Essen, es roch nach frischem Fleischsalat mit Paprika, der Mann entschuldigte sich. Sprißler schickte ihn hinaus. Dann stellte er das Lüftungsgebläse an und setzte sich auf die Bank vor den Spinden. Thewe blieb stehen. Sprißler blätterte in den Papieren und erklärte dazu, mit diesen Unterlagen setze er sich gegen die wahrheitswidrigen Behauptungen zur Wehr, die Meyerhill und Holtrop im Zug der neuesten Compliance-Offensive in Krölpa gestreut hätten, dass nur er, Sprißler, von fragwürdigen und problematischen Zahlungen an den hiesigen Sicherheitsdienstleister Bessemer gewusst habe. »Es war anders«, sagte Sprißler, »und diese Papiere belegen das.« Er habe Holtrop genau diese Papiere gezeigt und genau dies gesagt. Das habe seine Wirkung getan. Er könne Thewe nur den Rat geben, entsprechende eigene Unterlagen, die er vermutlich bei sich aufgehoben habe, Holtrop vorzulegen. Holtrop habe sich nie sehr fürArrow PC und Krölpa interessiert, aber sicher sei, dass er zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine weiteren Probleme brauchen könne. Thewe hatte verstanden. Er hatte allerdings keine solchen ihn schützenden Unterlagen aufgehoben. Er hatte alle diese grauen Anschubzahlungen und stillen Spenden, die Kuverts mit Geld und die Rechnungen ohne Gegenleistung zu übersehen sich bemüht, und genau das war in den letzten Jahren recht gut gegangen. Thewe war Sprißler dankbar, er bedankte sich für Sprißlers Rat. »Ich habe nur überhaupt gar keine derartigen Papiere«, sagte Thewe. »Ach?« sagte Sprißler erstaunt. Eben dies hatte er von Thewe wissen wollen, und jetzt sagte er zu Thewe: »Keine Papiere, überhaupt nichts Derartiges?« »Nein, gar nichts«, sagte Thewe. »Das ist natürlich sehr schlecht.« Sprißler freute sich über den neuerlichen Beleg der an Blödheit grenzenden Naivität von Thewe. Er würde bei Holtrop ein gutes Wort für ihn einlegen, sagte Sprißler im Hochgehen zu Thewe, könne der sich denn eine andere Position vorstellen innerhalb der Assperg AG , eventuell auch in Schönhausen? In der Eingangshalle des Arrowhochhauses verabschiedete sich Sprißler von Thewe und achtete dabei darauf, von wem er hier mit Thewe zusammen gesehen worden war.

XIV
    In dem abhörsicheren Raum von Blaschkes Büro, ein begehbarer Schrank, den ein Vorgänger Blaschkes sich noch zu DDR -Zeiten für seine Jagdutensilien hatte ausbauen und einrichten lassen, standen sich Holtrop und Blaschke gegenüber, jeder in einer Ecke, so weit wie möglich voneinander entfernt, was eine Distanz von kaum mehr als eineinhalb Armlängen ergab. Zwischen den beiden lag ein Packen Papier auf dem Klapptisch. Früher wurde an solchen Orten der Klandestinität Kokain gehackt, heute ging Holtrop hier dem Geschäft von Verrat und Überwachung nach. Er sagte: »Wie genau können wir feststellen, wo Thewe sich aufhält?« »Das hängt natürlich davon ab, wo er sich aufhält.« »Aha.« »Naja«, sagte Blaschke, »wenn er sein Handy wegschmeißt, das Auto stehen lässt und irgendwo hier in Thüringen in den Wäldern verschwindet, dann ist es natürlich schlecht.« »Ist klar, aber wir haben doch keinen Hinweis, dass er so etwas plant?« »Nein«, antwortete Blaschke, »im Moment nicht.« Holtrop deutete auf die Papiere, Abschriften von Gesprächen, die in den vergangenen Wochen in den Büros von Meyerhill, Sprißler und Thewe geführt worden waren. Blaschke hatte Holtrop die Unterlagen zur Durchsicht übergeben, eventuell relevante Passagen, die sogenannten Stellen , mit gelbem Leuchtstift markiert. Holtrop sagte: »Da war ja wohl nichts dabei, oder?« »Nein.« »Wo werden diese Tonbänder jetzt eigentlich abgetippt?« »Bei Burgmer Target in Rostock.« »Aha.« »Sind auch keine Bänder mehr.« »Noch besser.« Die bürokratenhafte Laschheit von Justitiar Blaschke, das breiig Aufgedunsene seines Gesichts, das in Momenten der Anspannung von ticartigen Verkrampfungen der tieferliegenden Muskulatur durchzuckt wurde, wie man das von Finanzminister Eichel her kannte, gaben Holtrop das gute Gefühl, das Böse bei Blaschke in den richtigen Händen zu wissen. Aber auch in Blaschke irrte sich Holtrop, dessen Menschenkenntnis durch überwertige Egoorientierung auffallend schwach ausgeprägt war.
    Blaschke agierte in allem nach dem Grundsatz, Schaden abzuhalten von Assperg. Er war Radikalangestellter der Firma in dem Sinn, dass er sich keiner einzelnen Person, noch nicht einmal dem alten Assperg, schon gar nicht etwasso Vergänglichem wie dem

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