John Corey 01 - Goldkueste
treuer Maat die Grube auf. Der Geist des ermordeten Seemanns soll den Schatz bewachen. Tatsächlich sind auf manchen vergrabenen Schatzkisten Skelette gefunden worden.«
»Indizienbeweis für Mord«, stellte ich fest.
»Wie ich schon sagte, dürfte Kidds Besatzung damals auf sechs bis sieben Mann zusammengeschrumpft gewesen sein«, fuhr Emma fort. »Konnte er einem seiner Leute das Schiff, die Besatzung und seine Familie anvertrauen, konnte er leicht in die nächste Bucht rudern, um eine Schatzkiste zu vergraben. Das ließe sich machen. In den alten Seeräuberfilmen geht immer eine ganze Horde Piraten an Land, aber je nach Größe der Kiste braucht man nur ein bis zwei Leute.«
Ich nickte. »Unser Geschichtsverständnis wird maßgeblich durch historisch ungenaue Filme beeinflusst.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, stimmte sie zu. »Aber eines zeigen sie ziemlich richtig: Jede Schatzsuche beginnt mit der Entdeckung einer lange verschollenen Karte. Wir verkaufen sie unten für vier Dollar, aber jahrhundertelang hat man sie Leichtgläubigen für Tausende von Dollar angedreht.«
Ich dachte darüber nach. Offenbar war eine dieser Schatzkarten - allerdings eine echte - irgendwie in den Besitz von Tom und Judy und/oder Fredric Tobin gelangt. »Du hast vorhin erwähnt«, sagte ich, »dass Gardiners Island ursprünglich Isle of Wight hieß.«
»Ja.«
»Gibt's hier in der Nähe weitere Inseln, die früher andere Namen hatten?«
»Jede Menge. Ursprünglich haben sie natürlich Indianernamen gehabt. Später haben manche holländische oder englische Namen bekommen, aber selbst die haben sich im Laufe der Zeit geändert. Ortsbezeichnungen in der Neuen Welt sind lange problematisch gewesen. Manche englischen Kapitäne hatten nur holländische Seekarten, auf manchen Karten waren Flüsse oder Inseln falsch benannt, die Schreibweise war uneinheitlich, und manche Karten haben weiße Flecken oder sogar bewusst falsche Informationen enthalten.«
»Schlecht für Schatzsucher«, meinte ich.
Sie nickte. »Die von einer Seekarte abgezeichnete Schatzkarte eines Piraten kann also von Anfang an mit Unge nauigkeiten behaftet gewesen sein. Und du musst bedenken, dass heutzutage nicht viele authentische Schatzkarten existieren, so dass kaum eine Aussage zur allgemeinen Genauigkeit solcher Karten möglich ist. Viel hing von den Fähigkeiten des jeweiligen Piraten ab. Und manche scheinen nicht sonderlich hell gewesen zu sein.«
Ich l ächelte.
»Hat ein Pirat auf eine Kartenskizze verzichtet«, fuhr sie fort, »sind die Aussichten, den vergrabenen Schatz nur nach seiner Beschreibung zu finden, weit geringer. Nehmen wir mal an, du hättest ein altes Schriftstück entdeckt, das folgendes besagt: Meinen Schatz habe ich auf Pruym Eyland vergraben - geh vom Adlerfelsen vierzig Schritte zur Doppeleiche, von dort aus dreißig Schritte genau nach Süden und so weiter. Lässt sich nicht feststellen, welche Insel mit Pruym Eyland gemeint ist, ist deine Suche von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Bekommst du jedoch heraus, dass Plum Island früher Pruym Eyland hieß, musst du den Felsen finden, der damals allgemein als Adlerfelsen bekannt gewesen ist. Auf die Doppeleiche brauchst du dagegen nicht mehr zu hoffen. Du verstehst, was ich meine?«
»Natürlich.«
Emma machte eine kurze Pause. »Archivare sind in gewisser Weise auch Detektive«, erklärte sie mir dann. »Soll ich dir sagen, was ich vermute?«
»Bitte sehr.«
Sie überlegte einen Augenblick. »Okay... die Gordons haben irgendwo Hinweise auf Captain Kidds Schatz oder einen anderen Piratenschatz gefunden, und dann hat ein anderer davon erfahren, und deshalb sind die Gordons ermordet worden.« Sie warf mir einen prüfenden Blick zu. »Habe ich recht?«
»So ähnlich muss es gewesen sein«, bestätigte ich. »Ich bin noch dabei, den genauen Ablauf zu klären.«
»Haben die Gordons den Schatz tatsächlich gefunden?«
»Das weiß ich nicht.«
Sie fragte nicht weiter danach.
»Ich frage mich, wie die Gordons auf diesen Hinweis gestoßen sind? Ich meine, ich sehe hier kein Ablagefach mit der Beschriftung Schatzkarten . Richtig?«
»Richtig. Unsere Schatzkarten werden im Geschenkeladen verkauft. Andererseits gibt es hier, in anderen Museen und bei anderen Vereinigungen noch immer viele Dokumente, die bisher niemand gelesen oder zumindest nicht richtig gedeutet hat. Du weißt, was ich meine?«
»Ja, ich verstehe.«
»Ich vermute - und das ist wirklich nur eine Vermutung -, dass
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