John Corey 01 - Goldkueste
jemand wie die Gordons, also kein Archivar oder Historiker, zufällig auf etwas gestoßen ist, das so sonnenklar war, dass es sogar Laien deuten konnten.«
»Zum Beispiel eine Landkarte?«
»Ja, beispielsweise eine Karte, die ein klar erkennbares Stück Land mit Geländemerkmalen, Entfernungen in Schritten, Richtungen in Kompassgraden und so weiter zeigt. Damit hätten sie gleich losziehen und nach dem Schatz graben können.« Sie überlegte, dann fügte sie hinzu: »Die Gordons haben viele archäologische Grabungen auf Plum Island vorgenommen... vielleicht haben sie in Wirklichkeit einen Schatz gesucht.«
»Nicht nur vielleicht.«
Emma runzelte die Stirn. »Soviel ich weiß, haben sie die halbe Insel umgegraben. Das legt nicht gerade den Schluss nahe, sie hätten genau gewusst, wo...«
»Die Grabungen haben nur zur Tarnung gedient. Als angebliche Hobbyarchäologen konnten sie in einsamen Gebieten der Insel mit Schaufeln herumlaufen. Ich vermute auch, dass ihre Archivarbeit weitgehend zur Tarnung gedient hat.«
»Warum?«
»Ein auf Plum Island gemachter Fund hätte nicht ihnen gehört, weil die Insel dem Staat gehört. Also mussten die beiden sich eine passende Geschichte zurechtlegen. Die Geschichte von Tom und Judy Gordon, die in einem Archiv - hier oder in London - auf ein Schriftstück gestoßen sind, in dem Captain Kidds Felsterrasse oder Captain Kidds Bäume erwähnt waren und das sie angeblich auf die Idee gebracht hat, den Piratenschatz zu suchen. In Wirklichkeit haben sie längst gewusst, dass der Schatz auf Plum Island lag.«
»Unglaublich.«
»Ja, aber du musst das Problem gewissermaßen von rückwärts lösen. Stell dir vor, du hättest eine authentische Landkarte oder eine detaillierte Beschreibung gefunden, die zu einem auf Plum Island vergrabenen Schatz führt. Was würdest du, was würde Emma Whitestone tun?«
Sie brauchte nicht lange zu überlegen. »Ich würde die Informationen an die zuständigen staatlichen Stellen weitergeben«, antwortete sie. »Es handelt sich um ein historisch bedeutendes Dokument, und falls der Schatz wirklich existiert, ist auch er historisch bedeutend. Liegt er auf Plum Island, sollte er auf Plum Island gefunden werden. Jede andere Lösung wäre nicht nur unehrlich, sondern einfach Betrug.«
»Die Geschichte der Menschheit strotzt vor Lügen, Betrug und Schwindel. So ist dieser Piratenschatz überhaupt erst auf die Insel gekommen. Was spricht gegen einen weiteren kleinen Schwindel? Der Schatz gehört seinem Finder. Richtig?«
»Nein«, widersprach sie, »er gehört dem Grundstücksbesitzer - im Fall Plum Island also dem Staat. Hätte ich ihn entdeckt, wäre ich einer Belohnung nicht abgeneigt.«
Ich l ächelte.
Sie musterte mich pr üfend. »Was würdest du tun?«
»Nun... im Geiste Captain Kidds würde ich versuchen, einen Deal auszuhandeln. Ich würde den Schatz nicht einfach dem heutigen Grundstücksbesitzer überlassen. Schließlich wäre es nur fair, einen Anteil am Ertrag zu erlangen. Sogar Onkel Sam läss t sich manchmal auf einen Handel ein.«
Emma dachte dar über nach. »Wahrscheinlich hast du recht. Aber das haben die Gordons nicht getan.«
»Richtig. Sie haben einen oder mehrere Partner gehabt, die geldgieriger waren. Und vermutlich bereit, für Geld zu morden. Aber wir wissen nicht wirklich, was die Gordons vorgehabt haben, denn sie können wir nicht mehr fragen. Wir können aber vermuten, dass der Fall mit handfesten Informationen über einen auf Plum Island versteckten Schatz anfing. Und dass alles, was die beiden danach getan haben, ein bewusstes, cleveres Täuschungsmanöver war - die Peconic Historical Society, die archäologischen Grabungen, die Nachforschungen in Archiven und sogar die im Londoner Public Records Office verbrachte Woche. Das diente einzig und allein dazu, den Abtransport des Schatzes von Onkel Sams Insel und seine Entdeckung auf einem Grundstück der Gordons vorzubereiten.«
Emma nickte. »Und deshalb haben die Gordons Mrs. Wiley das Grundstück abgekauft - um den Schatz dort zu vergraben... Captain Kidds Felsterrasse.«
»Genau! Klingt das logisch, oder bin ich verrückt?«
»Du bist verrückt, aber es klingt trotzdem logisch.«
Ich ignorierte ihre Behauptung und sprach weiter: »Geht's um zehn bis zwanzig Millionen Dollar, macht man alles richtig. Man lässt sich Zeit, verwischt seine Spuren, bevor jemand auch nur merkt, dass man welche hinterlässt, und ist auf Probleme mit Historikern, Archäologen und staatlichen
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