John Corey 01 - Goldkueste
dass Sie hier keinerlei amtliche Funktion mehr haben.«
»Ich gebe Ihnen mein Wort, keinen Ihrer Gäste zu bel ästigen. Aber ich brauche ein Bier.«
Mr. Tobin sah sich um, winkte eine junge Dame heran, die ein Tablett mit Weingl äsern spazieren trug, und forderte sie auf: »Bitte gehen Sie ins Haus und holen Sie diesem Gentleman ein Bier. Aber in einem Weinglas.«
»Ja, Sir.« Und schon war sie unterwegs. Mann, es muss nett sein, reich zu sein und anderen Leuten sagen zu können: »Ich möchte dieses, ich möchte jenes.«
»Sie sind eben kein Huttyp«, erklärte Mr. Tobin mir. Er entschuldigte sich und ließ mich stehen. Ich hatte Angst davor, mich von der Stelle zu rühren, weil die junge Dame mit dem Bier mich sonst vielleicht nicht gefunden hätte.
Die Nacht war sternenklar, die bunten Lichterketten blinkten, die Fackeln leuchteten, die Kerzen strahlten. Ein sanfter Landwind blies die M ücken auf See hinaus. Die Band spielte »Stardust«. Der Trompeter war große Klasse. Das Leben war schön. Ich war froh, dass ich nicht tot war.
Ich sah Fredric nach, der sich um seine Gäste kümmerte -Gast für Gast, Paar für Paar, Gruppe für Gruppe, ständig lachend und scherzend, wobei er Hüte zurechtrückte und Ladys, die einen Gürtel trugen, Plastikdegen verpasste. Im Gegensatz zu Jay Gatsby, dem berühmtesten Gastgeber auf Long Island aller Zeiten, beobachtete Fredric Tobin seine Party nicht aus der Ferne. Ganz im Gegenteil: Er war mittendrin, sorgte für Stimmung und spielte den vollkommenen Gastgeber.
Der Mann war erstaunlich cool, das musste man ihm lassen. Er war praktisch bankrott, wenn ich Emma Whitestone glauben wollte, und ein Doppelmörder, wenn ich meinem Instinkt glauben wollte - von meiner Entdeckung in seinem Bootshaus ganz zu schweigen. Und obwohl er wissen musste, dass ich seine beiden Geheimnisse kannte, war er die Ruhe selbst. Dass ich seine Party ruinieren könnte, machte ihm größere Sorgen, als dass ich sein Leben ruinieren könnte. In der Tat ein sehr cooler Bursche.
Die junge Dame kam mit einem Weinglas mit Bier auf einem Tablett zurück. Ich griff danach und erklärte ihr: »Ich mag keinen Wein.«
Sie lächelte. »Ich auch nicht. Im Kühlschrank steht noch mehr.« Sie blinzelte mir zu und machte kehrt.
Manchmal bilde ich mir ein, mit Charisma, Sex-Appeal und animalischem Magnetismus ausgestattet zu sein. Bei anderen Gelegenheiten kommt's mir vor, als litte ich unter Mund- und Körpergeruch. An diesem Abend war ich gut drauf, heiß wie eine Dreidollarpistole; ich schob meinen Hut in eine kecke Position, rückte meinen Degen zurecht und fing ebenfalls an, die Runde zu machen.
Die G äste waren fast alle jung oder in mittleren Jahren - ich sah nicht allzu viele ältere Semester. Zum Beispiel war Margaret Wiley nirgends zu sehen. Ich begegnete haupt sächlich Paaren - die Welt besteht hauptsächlich aus Paaren -, aber es gab auch einige Versprengte, die so aussahen, als könnte man sich mit ihnen unterhalten, für den Fall, dass keine meiner beiden Angebeteten heute Abend hier aufkreuzte.
Dann fiel mir eine junge Frau auf, die ein weißes Seiden kleid und den obligatorischen Dreispitz trug, unter dem langes Blondhaar hervorquoll. Ich erkannte sie als Lord Tobins Gespielin, weil die Gordons sie mir damals bei der Weinprobe gezeigt hatten. Da sie allein über den Rasen spazierte, änderte ich meinen Kurs entsprechend und fing sie ab.
Sie l ächelte. »Guten Abend.«
»Ich bin John Corey.«
Der Name sagte ihr offensichtlich nichts, aber sie l ächelte weiter. »Ich bin Sandra Wells«, antwortete sie. »Eine Freundin von Fredric Tobin.«
»Ja, ich weiß. Wir haben uns im Juli auf dem Weingut kennengelernt. Bei einer Weinprobe. Ich bin mit den Gordons dagewesen.«
Ihr L ächeln verschwand. »Oh, das ist schrecklich gewesen«, murmelte sie.
»Allerdings.«
»Eine Tragödie.«
»Ja. Sind Sie mit den Gordons befreundet gewesen?«
»Nun... Freddie schon. Ich hab' sie gemocht... aber ich weiß nicht, ob sie mich auch gemocht haben.«
»Bestimmt. Sie haben immer sehr freundlich von Ihnen gesprochen.« Tatsächlich hatten sie niemals von ihr gesprochen.
Sie l ächelte wieder.
Ich persönlich verstand nicht, wie jemand Emma Whitestone gegen Sandra Wells eintauschen konnte. Andererseits lässt sich über Geschmack streiten und so weiter. Ich fragte Ms. Wells: »Treiben Sie gern Wassersport?«
»Nein, ich nicht. Aber Fredric ist oft mit einem Boot unterwegs.«
»Ich habe nicht weit von
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