John Corey 01 - Goldkueste
stellte es mir aber sehr teuflisch und selbstgefällig vor. Schließlich fragte Tobin mich: »Sie haben die Sache mit dem Schatz herausbekommen, nicht wahr?«
»Warum haben Sie Emma umgebracht?«
»Beantworten Sie meine Frage.«
»Beantworten Sie zuerst meine.«
Er lie ß einige Sekunden verstreichen, dann sagte er: »Sie hat zu viel gewusst, und sie hat zu viel geredet. Aber vor allem sollte Ihnen das zeigen, wie stark mir Ihr Sarkasmus und Ihre Herumschnüffelei missfallen haben.«
»Sie sind ein herzloser kleiner Scheißer.«
»Die meisten Leute halten mich für charmant. Zum Beispiel Emma. Und natürlich die Gordons. Aber beantworten Sie jetzt meine Frage. Sie wissen über den Schatz Bescheid?«
»Ja. Captain Kidds Schatz. Hier auf Plum Island vergraben. Sollte an einen anderen Ort gebracht und dort entdeckt werden. Margaret Wiley, Peconic Historical Society und so weiter. Sie sind nicht so clever, wie Sie glauben.«
»Sie auch nicht. Sie haben einfach bloß Glück gehabt.« Er fügte hinzu: »Aber jetzt ist das Spiel aus.«
»Schon möglich. Aber ich habe noch volles Haar und meine Originalzähne.«
»Sie legen es wirklich darauf an, mich zu ärgern.«
»Und ich bin größer als Sie, und Emma hat gesagt, dass ich ein viel besserer Liebhaber bin.«
Mr. Tobin zog es vor, nicht auf meine Hänseleien einzugehen. Er wollte offenbar etwas aus mir herausbekommen, bevor er mir eine Kugel durch den Kopf jagte.
»Haben Sie eine unglückliche Kindheit gehabt?« fragte ich. »Eine dominante Mutter und einen herzlosen Vater? Haben die anderen Jungs Sie Feigling! geheißen und Sie wegen Ihrer Kniestrümpfe verspottet? Erzählen Sie mir davon. Ich möchte Ihren Schmerz teilen.«
Diesmal schwieg Mr. Tobin auff ällig lange. Ich sah die Taschenlampe in seiner Hand zittern und konnte mir vorstellen, dass auch seine Rechte mit der Pistole zitterte. Ein hoffnungslos Unterlegener hat zwei Verhaltensmöglichkeiten - er kann sich entweder schüchtern und kooperativ stellen, oder er kann den Kerl mit der Waffe aufbringen, ihn beschimpfen und so lange reizen, bis er einen Fehler macht. Die erste Möglichkeit ist heutzutage das Standardverfahren der Polizei. Die zweite Theorie gilt als gefährlich und verrückt. Natürlich bevorzuge ich die zweite. »Warum zittern Sie?« fragte ich.
Als er beide Hände hob - die linke mit der Taschenlampe, die rechte mit der Pistole -, wurde mir klar, dass er auf mich zielte. Oh-oh. Zurück zu Theorie eins.
Wir standen uns gegenüber, und ich glaubte ihm anzusehen, dass er angestrengt überlegte, ob er abdrücken sollte. Ich dagegen überlegte angestrengt, ob ich einen gellenden Schrei ausstoßen und mich auf ihn stürzen sollte, bevor er wirklich abdrückte.
Dann ließ er Taschenlampe und Pistole wieder ein Stück sinken. »Sie können mich nicht provozieren«, behauptete er.
»Schön für Sie.«
»Wo ist Ms. Penrose?« fragte er nochmals.
»Sie ist ertrunken.«
»Nein, das stimmt nicht. Wo ist sie?«
»Vielleicht ist sie ins Forschungslabor gegangen, um Verstärkung anzufordern. Vielleicht sind Sie erledigt, Freddie. Vielleicht sollten Sie mir Ihre Pistole geben, Kumpel.«
Er dachte dar über nach.
W ährend er nachdachte, sagte ich: »Übrigens habe ich die Aluminiumkiste mit dem Skelett und dem übrigen Zeug in Ihrem Weinkeller unter den Flaschenkartons gefunden und dann die Cops gerufen.«
Er äußerte sich nicht dazu. Falls er noch gehofft hatte, ich würde seine Geheimnisse mit ins Grab nehmen, sah er sich jetzt enttäuscht. Ich erwartete jeden Augenblick eine Kugel, aber Fredric Tobin, der immer auf einen Deal aus war, fragte mich: »Wollen wir halbe-halbe machen?«
Ich musste beinahe lachen. »Halbe-halbe? Die Gordons haben geglaubt, sie bekämen die Hälfte ... und was haben sie stattdessen von Ihnen bekommen?«
»Sie haben bekommen, was sie verdient haben.«
»Wie das?«
»Sie haben plötzlich Gewissensbisse bekommen. Unver zeihlich. Sie wollten den Schatz dem Staat übergeben.«
»Nun, dem gehört er schließlich.«
»Wem er gehört, ist unwichtig. Es kommt darauf an, wer ihn findet und behält.«
»Die Goldene Regel, wie Fredric Tobin sie auslegt - wer das Gold hat, macht die Regeln. «
Er lachte glucksend. Manchmal ärgerte ich ihn, manchmal brachte ich ihn zum Lachen. Da kein weiterer Cop anwesend war, musste ich den guten Cop, aber auch den bösen Cop spielen. Dabei konnte man glatt schizophren werden.
»Die Gordons sind zu mir gekommen«, fuhr Tobin
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