John Corey 01 - Goldkueste
gelockt hatte, die mein Grab werden sollte.
Er wusste auch, dass ich schießen würde, sobald er eine Bewegung machte, einen Laut von sich gab oder seine Taschenlampe einschaltete. Er war sich darüber im klaren, dass sein erster Schuss ins Dunkel ein Treffer sein musste, weil er keinen zweiten würde abgeben können. Deshalb standen wir beide wie erstarrt, gewissermaßen wie Katz und Maus, nur dass noch nicht klar war, wer die Katze war.
Der kleine Schei ßer hatte Nerven wie Drahtseile, das musste ich ihm lassen. Ich war bereit, notfalls eine Woche lang so dazustehen, und er war es auch. Ich horchte auf Sturm und Regen, vermied es aber, zu dem Loch in der Decke aufzusehen, weil das meine Nachtsichtfähigkeit beeinträchtigt hätte.
So vergingen schätzungsweise fünf Minuten, vielleicht weniger, aber nicht mehr. Tobin musste sich inzwischen fragen, ob ich lautlos den Rückzug angetreten hatte. Ich stand jeden falls zwischen ihm und dem Tunneleingang hinter mir. Ich bezweifelte, dass es ihm gelingen würde, an mir vorbeizu kommen, falls er die Nerven verlor und fortwollte.
Schlie ßlich blinzelte Tobin gewissermaßen: Er warf einen Betonbrocken an eine weit entfernte Wand. Das Geräusch hallte durch das riesige Munitionsmagazin. Es ließ mich zusammenzucken, aber ich dachte nicht daran, blindlings ins Dunkel zu schie ßen. Ein dämlicher Trick, Freddie.
Und so standen wir beide in nachtschwarzer Dunkelheit, und ich bemühte mich, Tobin zu sehen, sein Atmen zu hören, seine Angst zu riechen. Ich glaubte, in dem schwachen Lichtschein, der durch das Loch in der Decke über uns fiel, das Weiße seiner Augen oder Stahl blinken zu sehen. Das Blinken war irgendwo links von mir, aber die Entfernung ließ sich unmöglich abschätzen.
Da ich erkannte, dass auch mein Messer den schwachen Lichtschein reflektieren könnte, verbarg ich es hinter meinem Rücken.
Ich versuchte, das Blinken wiederzufinden, aber es blieb verschwunden. Sollte es erneut sichtbar werden, war ich entschlossen, darauf zuzust ürmen und wild mit dem Messer zuzustechen, bis ich Fleisch und Knochen traf. Ich wartete.
Es war schwierig, lautlos zu atmen. Wären Sturm und Regen über uns nicht gewesen, hätte Tobin mich hören müssen - und ich hätte ihn hören müssen. Ich spürte einen Hustenreiz, den ich erfolgreich unterdrückte.
Wir warteten. Ich vermutete, dass er wusste, dass ich allein war. Außerdem vermutete ich, dass Tobin wusste, dass ich mindestens eine Handfeuerwaffe hatte. Ich glaubte zu wissen, dass er eine Handfeuerwaffe hatte - jedoch nicht die Pistole Kaliber 45, mit der er Tom und Judy erschossen hatte. Hätte er ein Gewehr gehabt, hätte er versucht, mich im Freien aus sicherer Entfernung zu erschießen, sobald feststand, dass ich ihm auf den Fersen war. Jedenfalls war ein Gewehr hier nicht besser als eine Pistole. Womit ich nicht gerechnet hatte, war eine Schrotflinte.
In dem geschlossenen Raum war das Krachen der Schrotflinte so ohrenbetäubend laut, dass ich heftig zusammenfuhr. Aber als ich begriff, dass er nicht getroffen hatte, als mein Gehirn registrierte, wo dieser Schuss gefallen war - etwa fünf Meter zu meiner Rechten -, und bevor Tobin seine Feuerstellung wechseln konnte, gab ich meinen einzigen Schuss auf die Stelle ab, wo ich das Mündungsfeuer hatte aufblitzen sehen.
Ich lie ß meinen Revolver fallen und stürmte mit erhobenem
Messer los, aber ich stieß auf kein Hindernis und stolperte über keinen menschlichen Körper auf dem Betonboden. Sekunden später traf mein Messer eine Wand. Ich blieb stehen und erstarrte.
In einiger Entfernung hinter mir sagte eine Stimme: »Sie hatten nur einen Schuss, nehme ich an.«
Ich gab nat ürlich keine Antwort.
»Los, reden Sie schon!« forderte mich die Stimme auf.
Ich drehte mich langsam zu Fredric Tobin um.
»Ich glaube, ich habe gehört, wie Ihre Waffe zu Boden gefallen ist«, sagte er.
Ich merkte, dass er bei jedem Satz, den er sagte, die Stellung wechselte. Ein cleverer Kerl.
»Ich sehe Sie in dem Licht, das durch das Loch in der Decke fällt«, behauptete er.
Ich merkte jetzt, dass mein Sturmlauf auf die Schrotflinte mich etwas näher an diesen schwachen Lichtschein herangebracht hatte.
Die Stimme ertönte wieder aus neuer Position: »Keine Bewegung, sonst erschieße ich Sie!«
Ich verstand nicht, warum er nicht l ängst geschossen hatte, konnte mir aber denken, dass er irgendwas von mir wollte. Ich nutzte diese Tatsache aus, wich von der Wand zurück und
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