John Corey 03 - Nachtflug
schaute sie an und erwiderte: »Nur, wenn Sie wollen.«
Sie erwiderte nichts.
Ich drückte auf die Abspieltaste und blickte auf den unteren Teil des Bildschirms, wo es das Liebespaar am Strand miteinander trieb, während die Brandung über sie hinweg spülte. Ich schaute zum Himmel, aber noch immer waren keine Flugzeuglichter zu sehen. Fürs Protokoll: Es war 20:29, als Mrs. Winslow zum Höhepunkt kam. Ich konnte es sehen, hörte aber nichts.
Jill Winslow lag auf Bud Mitchell, und ich konnte erkennen, dass beide schwer atmeten, dann setzte sie sich auf, kniete rittlings über ihm und schaute nach Südwesten. Ich sah jetzt die fernen Lichter eines Flugzeugs weit draußen über dem Ozean -acht Meilen genau und etwa dreieinhalbtausend Meter über dem Wasser.
»Stop!«, sagte sie zu mir. »Halten Sie an!«
Ich drückte auf Pause und schaute sie an. Sie stand auf und sagte: »Ich kann mir das nicht noch einmal ansehen. Ich bin in der Küche.« Barfuß ging sie aus dem Wohnzimmer.
Ich saß eine ganze Minute lang da und schaute auf das stehende Bild - Jill Winslow, die auf Bud Mitchell saß, die mitten in der Bewegung erstarrte Brandung, die Sterne, die nicht mehr funkelten, ein schmaler Wolkenfetzen, hingetupft wie ein Farbspritzer an einer schwarzen Decke. Und beinahe gegenüber vom Smith Point County Park waren zwei Lichter - ein rotes und ein weißes - auf Film gebannt. Man hätte meinen können, es wären nichts weiter als Sterne auf einem Standfoto, aber bei laufendem Film hätte man sie blinken und sich von West nach Ost bewegen sehen.
Ich stand aus dem Sessel auf, setzte mich auf den Kaffeetisch und beugte mich zu dem großen Plasmabildschirm vor. Ich drückte auf die Zeitlupentaste und schaute genau hin.
Um 20:29 und 19 Sekunden sah ich rechts einen Lichtschein am Horizont und hielt das Bild an. Die Videokamera auf der Düne befand sich in rund sechs Meter Höhe, einschließlich Stativ. Von diesem Standort aus sah man ein bisschen mehr als die meisten Augenzeugen, die das hier von einem Boot oder von ebener Erde aus gesehen hatten, was an der Südküste von Long Island knapp drei Meter über Meereshöhe ist, wenn überhaupt. Ich schaute mir den Lichtschein eine Weile an und kam dann zu dem Schluss, dass es eventuell ein Raketenstart sein könnte.
Von der Stelle, an der ich den Lichtschimmer gesehen hatte, sah ich jetzt eine helle, rot-orange Lichtzunge zum Himmel aufsteigen. Sie stieg rasch empor, selbst in Zeitlupe, und ich konnte eine weiße Wolke erkennen, die aussah wie eine hinterher ziehende Rauchfahne. Ich warf einen kurzen Blick auf Jill und Bud, aber sie hatten es noch nicht gesehen. Es war 20:30 und 5 Sekunden, und ich drückte auf Pause, rutschte vom Kaffeetisch, kniete mich vor den Fernsehschirm und starrte auf den Lichtpunkt, bis er mir vor den Augen verschwamm. Ich ging in die Hocke, beugte mich etwas zurück und ließ die Aufnahme in Zeitlupe weiterlaufen.
Jetzt gab es kein Vertun mehr bei dem, was ich sah und was über zweihundert andere Menschen ebenfalls gesehen hatten, darunter auch Captain Spruck, an dessen Aussage ich, um ehrlich zu sein, gezweifelt hatte. Jetzt, da ich es mit eigenen Augen sah, verstand ich auch, warum es ihn nicht losließ, und ich wusste, dass er eine Entschuldigung verdient hatte. Noch wichtiger aber war, dass das amerikanische Volk eine Entschuldigung verdiente, aber ich wusste nicht, von wem.
Ich dachte an mein Gespräch mit Jack Koenig in dessen Büro, als er mir in die Augen geschaut und gesagt hatte: »Es gibt kein verfluchtes Video von einem Pärchen, das am Strand vögelt, und dem im Hintergrund explodierenden Flugzeug«, und anschließend: »Auch keine verfluchte Rakete.«
Tja, ich scheiß auf dich, Jack. Und Liam Griffith und Ted Nash können mich auch kreuzweise. Verlogene Mistbande.
Der Lichtschweif, der eine weiße Rauchfahne hinter sich herzog, stieg höher, bis er etwa in der Mitte des Bildschirms war. In diesem Moment sah ich, wie Jill den Kopf in Richtung des Lichts drehte und zum Himmel aufblickte, dann setzte sich Bud rasch auf, drehte sich um und blickte über die Schulter zu der Stelle, auf die sie starrte. Das Licht wirkte auf dem Fernsehschirm beinahe weißglühend, und ich sah, wie es schneller wurde. Ich warf einen Blick auf die Lichter des Flugzeugs, dann wieder auf den aufsteigenden Lichtschweif. Ich war zu dicht vor dem Fernseher, um den ganzen Bildschirm sehen zu können, deshalb stand ich rasch auf, ging zurück zum Kaffeetisch und
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