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John Corey 03 - Nachtflug

John Corey 03 - Nachtflug

Titel: John Corey 03 - Nachtflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson DeMille
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bemerkte auch, dass sie zu ihm blickte, als wollte sie, dass er etwas sagte, ihr erklärte, was vorgefallen war und was sie tun sollten. Ich ließ die nächsten paar Sekunden in Zeitlupe ablaufen und sah sein dämliches Gesicht unmittelbar vor der Kamera, so dass es den ganzen Bildschirm ausfüllte. Dieses Gesicht, dachte ich, könnte man auf einem Fahndungsplakat abdrucken, dazu die Überschrift »Haben Sie diesen nichtsnutzigen, selbstsüchtigen Scheißkerl gesehen? Sachdienliche Hinweise unter 1-800-ARSCHLOCH«.
    Bud hatte jetzt die Kamera im Griff, nicht aber seine Nerven, so dass auf dem Fernsehschirm ein irres Kaleidoskop aus Bildern zu sehen war, denen ich nur schwer folgen konnte, als unser Held die Düne hinab rannte und die Kamera fallenließ. Ich hörte Bud sagen: »Zieh dich an! Zieh dich an!«
    Dann hob jemand die Kamera auf, und ich sah kurz den Nachthimmel vorüberhuschen. Ich konnte sie schwer atmen hören, als sie rannten, und sah undeutlich tanzende Bilder. Eine Autotür wurde geöffnet, dann zugeschlagen, gefolgt von zwei weiteren Autotüren, die geöffnet und wieder geschlossen wurden, dann hörte ich, wie der Motor angelassen wurde, sah etwas über den fast schwarzen Bildschirm tanzen, dann wieder schwere Atemzüge, aber keiner von beiden sagte ein Wort. Sie stand vermutlich unter Schock, und er versuchte nicht in die Hose zu pinkeln. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien: »Sag was zu ihr, du nichtsnutziger Scheißkerl.«
    Ich wartete etwa fünf Minuten lang, in denen nur Schwärze und Schweigen herrschten, und wollte bereits den Fernseher ausschalten und die Kassette zurückspulen, dann hörte ich ihre Stimme. »Bud, ich glaube, da ist ein Flugzeug explodiert.«
    Er erwiderte: »Vielleicht ... vielleicht war es auch eine riesige Feuerwerksrakete ... von einem Frachtkahn aus abgeschossen.
    Vielleicht haben die ... du weißt schon ... ein Feuerwerk abgebrannt.«
    »Feuerwerksraketen explodieren nicht so. Feuerwerksraketen brennen nicht auf dem Wasser.« Kurze Pause, dann: »Irgendwas Großes ist in der Luft explodiert und ins Meer gestürzt. Es war ein Flugzeug.«
    Er erwiderte nichts, und sie sagte: »Vielleicht sollten wir zurückfahren.«
    »Warum?«
    »Vielleicht ... sind ... Menschen davongekommen. Sie haben Schwimmwesten, Rettungsflöße. Vielleicht können wir helfen.«
    »Du bist eine tüchtige Frau«, murmelte ich vor mich hin. Bud sagte: »Das Ding hat sich einfach in seine Einzelteile aufgelöst. Es muss in ein paar tausend Meter Höhe gewesen sein.« Pause. »Außerdem sind die Cops schon dort. Die brauchen uns nicht.«
    »Die Passagiere brauchen dich nicht«, dachte ich, »aber die Cops brauchen dein Video, du Blödmann.«
    Danach herrschte lange Stille, dann sagte Jill: »Dieser Lichtschweif- das war eine Rakete. Ein Geschoß.«
    Keine Antwort.
    »Es sah aus, als ob eine Rakete vom Wasser aus abgeschossen wurde und ein Flugzeug getroffen hat«, fuhr sie fort.
    Bud erwiderte: »Na ja ... wir erfahren es bestimmt in den Nachrichten.«
    Wieder herrschte Schweigen, dann bewegte sich etwas auf dem dunklen Bildschirm, danach schwarze Stille, und ich wusste, dass Jill die Kamera vom Rücksitz geholt hatte und die Kassette zurückspulte, damit sie sich die Aufnahme im Sucher ansehen konnte.
    Das war das Ende des Videos, aber dann tauchte wieder ein Bild auf, und Hindergrundmusik drang aus den Lautsprechern.
    Jean-Louis Trintignant sagte etwas in synchronisiertem Englisch, aber ich hörte nicht hin.
    Ich hielt die Kassette an und drückte auf Rückspulen. Dann saß ich eine Weile auf dem Kaffeetisch und starrte auf den dunklen Bildschirm.
    Ich war völlig überwältigt von dem, was ich gerade gesehen hatte, und mir klar, dass es eine Weile dauern würde, bis ich diese Bilder verarbeitet hatte, die jedes normale Wahrnehmungsvermögen überstiegen.
    Ich stand ein paar Sekunden lang reglos da, ging dann zur Bar, fand ein Glas und griff mir aufs Geratewohl eine Flasche Scotch. Ich goss mir ein paar Fingerbreit ein und starrte auf das Glas. Es war früher Sonntagmorgen, aber ich brauchte irgendwas, um mich zu beruhigen und meinen Mund zu befeuchten. Ich kippte den Scotch hinunter, stellte das Glas ab und ging in die Küche.

47
    Jill Winslow war nicht in der Küche, aber ich sah sie hinter einer doppelten Glastür auf einer Chaiselongue auf dem Patio sitzen. Sie trug nach wie vor ihren Morgenmantel, saß aufrecht da und starrte mit offenen Augen vor sich hin, als ginge ihr irgendetwas durch den

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