John Corey 03 - Nachtflug
Stock, und von meinem Balkon aus, wo ich jetzt, um zwei Uhr morgens, mit einem Glas Scotch in der Hand stand, konnte ich nach Süden über ganz Manhattan hinwegblicken.
Zwischen den Wolkenkratzern in Midtown sah ich die Bowery und einen Teil der Lower East Side, wo ich aufgewachsen war, an der Henry Street, genauer gesagt, unweit der Sozialbauten.
Jenseits von Chinatown konnte ich die Gerichtsgebäude und Gefängnisse erkennen, dazu One Police Plaza, wo ich einst gearbeitet hatte, und Federal Plaza, wo ich jetzt arbeitete.
Genaugenommen war ein Großteil meiner persönlichen Geschichte da unten ausgebreitet - John Corey, wie er als Kid in den finsteren Straßen der Lower East Side gespielt hatte, John Corey als frischgebackener Cop in der Bowery, John Corey als Detective bei der Mordkommission und zu guter Letzt John Corey als Contract Agent bei der Antiterror-Task Force der Bundespolizei.
Und jetzt einfach John Corey, seit einem Jahr zum zweiten Mal verheiratet, wohnhaft im Apartment seiner ersten Frau Robin, die nun mit ihrem Chef zusammenlebte, einem totalen Schmock, der zu viel Geld mit der Verteidigung von finanziell erfolgreichem Gesocks verdiente.
Am unteren Zipfel von Manhatten erhoben sich die Wolkenkratzer der Wall Street wie Stalagmiten in einem Höhlensee. Und zur Rechten ragten die Zwillingstürme des World Trade Center vierhundert Meter hoch in den Himmel.
Am 26. Februar 1993 fuhren Terroristen aus dem Nahen Osten mit einem Kleinbus voller Sprengstoff in die Tiefgarage des Nordturms, parkten den Van und verzogen sich. Um 12.18 Uhr explodierte der Van, wobei sechs Menschen getötet und weitere tausend verletzt wurden. Wäre der Turm eingestürzt, hätte es Tausende von Todesopfern gegeben. Das war der erste Anschlag, den ausländische Terroristen jemals auf amerikanischem Boden begangen hatten. Es war außerdem ein Weckruf, aber niemand hörte darauf.
Ich ging ins Wohnzimmer meines Apartments.
Die Einrichtung erinnerte mit dem vielen Pink und Grün, den Muschel Schalenmotiven und den kratzigen Teppichen ein wenig an eine Hotellobby in Palm Beach.
Kate sagt, bei der erstbesten Gelegenheit kommt das alles raus. Was nicht rauskommt, ist das einzige Stück, das ich gekauft habe - mein brauner, lederner La-Z-Boy-Fernsehsessel. Er ist ein wunderbares Teil.
Ich goss mir einen weiteren Scotch ein und drückte auf die Abspieltaste meines Videorecorders.
Ich setzte mich in meinen La-Z-Boy und schaute auf den Bildschirm.
Eine Collage aus allerlei Bildern mit unpassender Musik tauchte auf. Das hier war ein einstündiges Video, das laut Kate von einer Gruppe von Verschwörungstheoretikern hergestellt worden war, die die Theorie von einem Raketenangriff propagierten. Die Kassette enthielt nach Kates Worten auch die CIA-Animation.
In einem Filmausschnitt vom Interview eines Nachrichtensenders sagte der ehemalige Leiter der nationalen Verkehrssicherheitskommission, es sei noch nie dagewesen, dass das FBI die Untersuchung leitete. Der Kongress, so sagte er, habe der nationalen Verkehrssicherheitskommission ein eindeutiges Mandat zur Untersuchung von Flugzeugunglücken erteilt.
Das Schlüsselwort, das der dämliche Nachrichteninterviewer nicht mitbekam, war »Unglück«. Offensichtlich dachten einige Leute in der Regierung, es handle sich um ein Verbrechen, was wiederum genau der Grund dafür war, weshalb das FBI und nicht die Verkehrs Sicherheitskommission die Untersuchung und die Rekonstruktion des Flugzeugs übernommen hatte.
Danach sagte irgendein Experte, dass der leere Haupttank keine so starke Explosion verursacht haben könnte, weil er nur »einen Fingerhut voll Treibstoff« enthalten habe.
Aber Mr. Siben hatte mir erklärt, dass gut zweihundert Liter Treibstoff übriggeblieben sein könnten, die von der Absaugpumpe nicht entsorgt wurden. Auf jeden Fall waren es die brisanten Dämpfe, nicht der Treibstoff selbst, die offenbar die erste Explosion verursacht hatten.
Folglich hatten wir bereits in den ersten paar Minuten des Videos einige Fehler oder vielleicht auch Tatsachenverdrehungen.
Ich schaute genauer hin, als sich eine Reihe von Leuten, die nicht näher vorgestellt wurden, in dunklen Andeutungen über das Verschwinden von Flugzeugteilen aus dem Hangar in Calverton ergingen, über fehlende Sitze, die vom Meeresgrund geborgen worden waren und nie wieder gesehen wurden, und über Aluminiumbauteile, die bei der Rekonstruktion einfach eingesetzt und festgehämmert wurden, wodurch die typischen
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