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John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Gesettz
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Leonas alter Buick vor Miss Emporias Haus hielt, betrachtete Adrian Keane das rosafarbene Haus mit der weißen Veranda, den in Hängeampeln gepflanzten Farnen, den Blumenkästen mit Stiefmütterchen und Geranien, dem winzigen, von einem weißen Lattenzaun umgebenen Vorgarten. Sein Blick ging zu dem kleinen Haus daneben, das zartgelb gestrichen war und genauso ordentlich und hübsch aussah. Er sah die Straße hinunter, bis zu einer Reihe schmaler, fröhlich wirkender Häuser, die mit Blumen und Schaukelstühlen und einladenden Türen geschmückt waren. Dann sah er wieder auf das rosafarbene Haus und beschloss, dass er lieber hier sterben wollte als keine zwei Kilometer entfernt in dem herrschaftlichen Haus, das er gerade verlassen hatte.
    Der Gärtner, der immer noch Arbeitshandschuhe trug, um jedes Infektionsrisiko zu vermeiden, lud flugs die beiden teuren Lederkoffer aus, die Adrians ganzes Hab und Gut enthielten, und eilte ohne ein Wort des Abschieds und ohne einen Händedruck davon. Er hatte strikte Order von Miss Leona, den Buick unverzüglich nach Hause zu bringen und den Innenraum mit Desinfektionsmitteln zu schrubben.
    Adrian sah die Straße hinunter und bemerkte ein paar Leute, die auf den Veranden ihrer Häuser Schutz vor der Sonne suchten. Dann nahm er sein Gepäck, betrat den kleinen Vorgarten und ging über einen gepflasterten Weg zur Treppe des rosafarbenen Hauses. Die Haustür öffnete sich, und vor ihm stand Miss Emporia, mit einem Lächeln auf den Lippen. »Herzlich willkommen, Mr. Keane«, sagte sie.
    »Bitte lassen Sie das >Mister< weg. Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, erwiderte Adrian. Der Form halber wäre an diesem Punkt Händeschütteln angebracht gewesen, doch er war sich des Problems bewusst. »Es passiert zwar nichts, wenn wir uns die Hand geben, aber das lassen wir jetzt einfach.«
    Emporia hatte nichts dagegen. Leona hatte sie gewarnt, dass sein Aussehen erschreckend sei. Nach einem Blick auf seine hohlen Wangen und Augen und die weißeste Haut, die sie je gesehen hatte, tat sie so, als würde sie seine ausgemergelte Gestalt, an der viel zu große Kleidung hing, nicht bemerken. Ohne zu zögern, wies sie auf einen kleinen Tisch auf der Veranda und fragte: »Möchten Sie ein Glas Eistee?«
    »Das wäre schön, vielen Dank.«
    Seinen Südstaatenakzent hatte er schon vor Jahren verloren. Emporia fragte sich, was der junge Mann seitdem noch alles verloren hatte. Nachdem sie sich an den Tisch aus Weidengeflecht gesetzt hatten, goss sie den zuckersüßen Eistee ein. Neben den Gläsern stand ein Unter teller mit Ingwerplätzchen. Sie nahm sich eines davon, er nicht.
    »Wie steht es mit Ihrem Appetit?«, fragte sie.
    »Er ist weg. Als ich vor Jahren von hier weggegangen bin, habe ich ziemlich viel abgenommen. Ich habe mir das frittierte Zeug abgewöhnt, und danach war ich nie wieder ein großer Esser. Und jetzt habe ich sowieso nicht mehr viel Appetit.«
    »Dann brauche ich also nicht viel zu kochen?«
    »Ich glaube nicht. Sind Sie eigentlich damit einverstanden? Ich meine, mit dieser Regelung? Es sieht nämlich so aus, als hätte meine Familie es Ihnen aufgezwungen, was natürlich typisch für sie wäre. Wenn es Ihnen unangenehm ist, kann ich mir auch etwas anderes suchen.«
    »Die Regelung ist so in Ordnung, Mr. Keane. «
    » Sagen Sie bitte Adrian zu mir. Und wie soll ich Sie nennen?«
    »Emporia. Wir reden uns mit dem Vornamen an. «
    » Einverstanden.«
    »Wo würden Sie denn etwas anderes finden?«
    »Ich weiß es nicht. Zurzeit ist alles ein Provisorium.« Seine Stimme klang heiser, und er sprach sehr langsam, als würde ihn das Reden anstrengen. Adrian trug ein blaues Baumwollhemd, Jeans und Sandalen.
    Emporia hatte früher einmal in einem Krankenhaus gearbeitet und viele Krebspatienten in deren letzten Tagen gesehen. Ihr neuer Freund erinnerte sie an diese armen Menschen. Doch so krank er auch war, früher war er mit Sicherheit ein gut aussehender junger Mann gewesen.
    »Sind Sie denn mit dieser Regelung zufrieden?«, fragte sie.
    »Warum sollte ich nicht?«
    »Ein Weißer aus einer bekannten Familie wohnt hier in Lowtown bei einer alten schwarzen Jungfer.«
    »Wer weiß, vielleicht wird es ja ganz lustig«, sagte er und lächelte zum ersten Mal.
    »Ich bin sicher, dass wir uns gut verstehen werden.«
    Er rührte seinen Tee um. Das Lächeln verschwand, als der Moment der Leichtigkeit vorbei war. Auch Emporia rührte ihren Tee um und dachte: Der arme Mann. Er hat so wenig, über das er

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