John Grisham
lächeln kann.
»Ich habe Clanton aus vielen Gründen verlassen«, sagte er. »Für Leute wie mich, für Homosexuelle, ist es hier nicht schön. Und für Leute wie Sie ist es auch nicht gerade das Paradies. Ich hasse die Art, in der ich erzogen wurde. Ich schäme mich dafür, wie meine Familie Schwarze behandelt hat. Die Bigotterie in dieser Stadt habe ich gehasst. Außerdem wollte ich unbedingt in die Großstadt.«
»San Francisco?«
»Zuerst bin ich nach New York gegangen und habe einige Jahre dort gelebt, dann habe ich einen Job an der Westküste bekommen. Irgendwann bin ich nach San Francisco gezogen. Und dann bin ich krank geworden.«
»Warum sind Sie denn zurückgekommen, wenn Sie diese Stadt so verabscheuen?«
Adrian atmete aus, als würde er für die Antwort eine Stunde brauchen oder gar keine haben. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, Schweiß, der nicht von der hohen Luftfeuchtigkeit verursacht wurde, sondern von seiner Krankheit. Er trank einen Schluck aus seinem Teeglas. Schließlich sagte er: »Ich weiß es nicht so genau. In letzter Zeit habe ich viele sterben sehen und bin auf mehr Beerdigungen gewesen, als mir lieb ist. Ich konnte den Gedanken daran nicht ertragen, in einem kalten Mausoleum in einer weit entfernten Stadt begraben zu werden. Vielleicht ist das so ein Südstaatending. Irgendwann kommen wir alle wieder nach Hause. «
» Das klingt einleuchtend.«
»Außerdem ist mir das Geld ausgegangen, um ehrlich zu sein. Die Medikamente sind sehr teuer. Ich brauchte meine Familie, zumindest ihre finanzielle Unterstützung. Es gibt auch noch andere Gründe. Das Ganze ist ziemlich kompliziert. Ich wollte meine Freunde nicht mit noch einem qualvollen Sterben belasten.«
»Und Sie hatten vor, drüben bei Ihrer Familie zu bleiben, nicht hier in Lowtown, stimmt's?«
»Ich bleibe viel lieber hier, das können Sie mir glauben, Emporia. Sie wollten nicht, dass ich nach Clanton zurückkomme. Jahrelang haben sie mir Geld geschickt, damit ich wegbleibe. Sie haben mich verleugnet, enterbt, sich geweigert, meinen Namen auszusprechen. Da habe ich mir gedacht, ich könnte ihr Leben doch noch ein letztes Mal aufmischen. Sie ein bisschen leiden lassen. Und sie dazu bringen, Geld für mich ausgeben zu müssen.«
Vor dem Haus fuhr langsam ein Streifenwagen die Straße hinunter. Keiner von beiden erwähnte ihn. Als er weg war, trank Adrian einen Schluck Eistee und sagte: »Ich sollte Ihnen vielleicht einige Informationen geben, zumindest die Grundlagen. Ich habe seit etwa drei Jahren AIDS und werde nicht mehr lange leben. Es kann ei gentl ich nichts passieren. Man kann sich nur durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten anstecken, daher sollten wir uns darüber einig sein, dass wir keinen Sex miteinander haben werden.«
Emporia brüllte vor Lachen, und kurz darauf stimmte Adrian mit ein. Sie lachten, bis ihnen die Tränen kamen, bis die Veranda zitterte, bis sie über sich selbst lachten, weil sie so lachen mussten. Einige Nachbarn hoben erstaunt den Kopf und starrten zu ihnen hinüber. Als sie sich endlich wieder beruhigt hatten, sagte sie: »Ich hatte schon so lange keinen Sex mehr, dass ich gar nicht mehr weiß, wie es geht.«
»Ich kann Ihnen versichern, dass ich genug Sex für mich, für Sie und für halb Clanton gehabt habe. Aber diese Zeit ist vorbei.«
»Bei mir auch.«
»Gut. Sie behalten Ihre Hände bei sich, und ich werde das Gleiche tun. Abgesehen davon wäre es vernünftig, einige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.«
»Gestern war die Krankenschwester da und hat mir alles erklärt.«
»Gut. Wäsche, Geschirr, Lebensmittel, Medikamente, Badhygiene. Sie wissen Bescheid? «
» Ja.«
Er rollte den linken Ärmel seines Hemdes auf und zeigte auf einen dunklen Fleck. »Manchmal platzen diese Dinger hier auf, und wenn das passiert, lege ich einen Verband an. Ich sag's Ihnen, wenn es so weit ist.«
»Ich dachte, wir lassen die Finger voneinander.«
»Stimmt. Nur für den Fall, dass Sie sich nicht beherrschen können.«
Sie lachte wieder, aber nur kurz.
»Emporia, im Ernst, das Risiko einer Ansteckung ist sehr gering.«
»Das habe ich schon verstanden.«
»Ich bin mir sicher, dass Sie das verstanden haben, aber ich will nicht, dass Sie in Angst vor mir leben. Ich habe gerade vier Tage mit den Menschen verbracht, die von meiner Familie noch übrig sind, und sie haben mich behandelt, als wäre ich radioaktiv. Die Leute hier werden das Gleiche tun. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie sich
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