John Lennon - across the universe - die spirituelle Biografie
ihrem Erfolg erschien in den USA ein Konkurrent auf der Bildfläche, der die Horizonte der Populärmusik um Dimensionen erweiterte, die wenige Jahre zuvor noch völlig unvorstellbar zu sein schienen. In das seichte Genre der Popsongs führte er komplexe, anspruchsvollere Themen und poetische Texte ein.
Bob Dylan ist durch das Genre Folkmusik berühmt geworden. Seine Songs, deren Texte sich mit substanziellen Themen befassten, beinhalten oft Kommentare zu den gesellschaftlichen Lebensbedingungen. Sprachlich ebenso begabt wie musikalisch, war es ihm gelungen, das Medium zu meistern und Stücke von ungewohnter intellektueller wie auch emotionaler Kraft zu schaffen – »Blowing in the Wind« und »With God on Our Side« sind zwei Beispiele dafür, zwei Beispiele von vielen. Folkmusik war jedoch lediglich das Medium, dessen er sich bediente; keine Kategorie, der er sich unterwarf. Wie Lennon war er in der anbrechenden Ära des Rock ’n’ Roll den Kinderschuhen entwachsen. Und wie Lennon wusste auch er die gefühlvolle Ausdruckskraft und die ungeschönte Originalität des Blues zu würdigen.
Ebenso profitierte er von seiner Freundschaft zu Allen Ginsberg und anderen Literaten. Zugleich griff er auf jene Einflüsse (insbesondere auf die französischen Symbolisten) zurück, die ihm durch seine Belesenheit zugänglich waren. Dylan stand im Begriff, die beengende Tradition der Folkmusik zu überwinden und etwas Neuartiges zu erschaffen, das all diese scheinbar nicht in Zusammenhang miteinander stehenden Kunstformen zu einer Popmusik verschmolz. Das Publikum sollte sich nicht bloß als Konsument angesprochen fühlen, der nur für sentimentale Songs empfänglich ist, sondern als vernunftbegabtes Wesen. Dylans Songs waren voll von literarischen Anspielungen, Metaphern und einer Doppelbödigkeit, die nachdenklich stimmende Fragen aufwarf. Er setzte voraus, dass die Zuhörer über das, was ihnen da vorgesetzt wurde, wirklich
nachdachten.
Im Grunde führte kein Weg daran vorbei, dass Dylan und die Beatles – als zwei für die gesamte Musikszene prägende Kräfte – einander trafen und sich kennenlernten. Im August 1964 hat man die fünf in einem New Yorker Hotel miteinander bekannt gemacht. Lennon hatte gerade
In seiner eigenen Schreibe
veröffentlicht und galt als »der intellektuelle Beatle«. Gemeinsam mit ihm Zeit zu verbringen, daran war Dylan ganz besonders interessiert. Nach einigen unbeholfenen Versuchen, miteinander ins Gespräch zu kommen, schlug Dylan vor, sie sollten sich einfach aus ihrem Umfeld für ein Weilchen zurückziehen, um Marihuana zu rauchen. 61
Lennon hatte zuvor noch keinerlei Erfahrungen mit »Gras« gesammelt und fand an der wahrnehmungsverändernden Wirkung des Krauts Gefallen. Die Sanftmütigkeit, die ihn beim Rauchen überkam, schuf einen Ausgleich zu der Schärfe, die er ansonsten an den Tag legte, um mit der Welt klarzukommen. Die Marihuana-Erfahrung ebnete den Weg für Experimente mit noch wirkungsvolleren Drogen und stand am Anfang eines langsamen persönlichen Wandlungsprozesses, der ihn in die Lage versetzte, zu einem späteren Zeitpunkt der Sechzigerjahre zu einer Leitfigur der »Love and Peace«-Bewegung zu werden.
So bereitwillig Lennon einerseits einräumte, Dylan habe dazu beigetragen, dass er sich geistig öffnen konnte, so sehr spielte er andererseits den Einfluss herunter, den der Amerikaner auf seine Musik ausgeübt hat. Als Dylan ihm damals seine neu aufgenommenen Songs vorspielte und zu ihm sagte: (
Lennon imitiert Dylans Stimme
) »Hör dir dies mal an, John« und: »Hast du den Text mitgekriegt?«, hat Lennon nach eigener Aussage geantwortet: »Auf den kommt’s so sehr gar nicht an, es ist doch der
Sound,
der zählt. Die Gesamtheit des Songs.« 62
Teilweise zumindest mag diese Aussage durchaus zutreffend gewesen sein, denn der besondere Zauber der Musik lag für Lennon in der physischen Reaktion auf das Gehörte. Vielleicht war Lennon aber auch vor dem Hintergrund der eigenen Sprachbegabung sehr beeindruckt von dem Niveau, das Dylans Songtexte erreicht hatten, und fühlte sich nicht recht wohl in der eigenen Haut, weil seine Texte zu jener Zeit noch deutlich pubertäre Züge aufwiesen.
Der Sommer 1964 markierte den Anfang einer Phase, die ihm einiges Kopfzerbrechen bereitete. Seit Gründung der Quarrymen im Jahr 1957 war die Vorstellung, mit einer Rock-’n’-Roll-Band den Durchbruch zum großen Erfolg zu schaffen, geradezu schon zu einer fixen Idee für ihn geworden.
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