John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
arbeiten. Ruh dich aus.«
Sie nahm sich eine Flasche eiskaltes Mineralwasser aus dem rostigen Kühlschrank in der Ecke und ließ sich auf der Matte nieder, um ihm zuzusehen. Er zog sich das T-Shirt über den Kopf und warf es beiseite. Sie blickte rasch in eine andere Richtung und nahm einen Schluck Wasser. Ein Mann mit nacktem Oberkörper war nichts Ungewöhnliches für sie, aber trotzdem … der dort war John Medina und alles andere als gewöhnlich.
Sie streckte sich auf der Trainingsmatte aus und schloss die Augen, damit sie nicht der Versuchung nachgeben konnte, ihn anzuglotzen. Dies durfte nichts weiter sein als eine rein geschäftliche Beziehung. Er war in black ops, sie eine Schreibtischhockerin, zwei vollkommen unterschiedliche Lebensstile also. Dennoch, einen kurzen, Schwindel erregenden Moment lang stellte sie sich vor, wie es wäre, eine Affäre mit ihm zu haben.
Ja, wie wäre das wohl? Sie war gern mit ihm zusammen, ja, genoss es sogar, obwohl er sie ständig irritierte. Dieser Mann war die reinste Herausforderung. Sie war zwar erschöpft, doch sie spürte auch, wie das Leben wieder in ihren Adern pulste, so wie schon lange nicht mehr. Lag es an ihm oder an der Aussicht, wieder an der Front mitmischen zu können? Oder war das eine vom andern nicht zu trennen?
Nach ihrem Gerangel war ihr Körper äußerst sensibilisiert. Mehrmals waren seine Unterarme mit ihren Brustwarzen in Kontakt gekommen. Er hatte sie an den Beinen, an der Hüfte berührt. Er hatte sich an sie gedrängt, und mehrmals während ihres Gerangels war eins von seinen Beinen zwischen die ihren geraten.
Sie rollte sich auf den Bauch und stützte das Kinn auf die Arme. Auf John Medinas Brust prangte in blinkenden Neonlettern das Wort »Gefahrenzone«, und diese Warnung galt es zu beachten, schon um ihrer selbst willen. Schon jetzt riskierte sie mehr, als sie sich leisten konnte.
»Auf, auf, Sahnetörtchen«, rief er ihr von dem Gestell zu, auf dem er gerade Bankdrücken machte.
»Von wegen Sahnetörtchen«, knirschte sie und sprang zornig auf die Füße.
9
Villa de Ronsard, Südfrankreich
Louis Ronsard verließ sich auf nichts und traute niemandem, den er nicht mit eigenen Augen gesehen und unter die Lupe genommen hatte. Und selbst dann vermied er es, soweit es ging. Seiner Erfahrung nach war Vertrauen etwas, das sich ein kluger Mann nicht leistete.
Daher schenkte er selbst nahen Verwandten und engsten Mitarbeitern nur begrenzt sein Vertrauen. Er wusste beispielsweise, dass seine Schwester Mariette ihm nie absichtlich würde schaden wollen. Doch war sie manchmal ebenso töricht wie hübsch, was dazu führte, dass er sie nie in etwas einweihte, was mit seinen Geschäften zusammenhing. Aus reiner Notwendigkeit musste er enge Mitarbeiter ab und zu ins Vertrauen ziehen, doch überprüfte er sie regelmäßig auf eventuelle finanzielle oder private Schwachstellen, um eine potenzielle Bedrohung für sich rechtzeitig aufzudecken. Er verbot seinen Angestellten beispielsweise jeglichen Gebrauch von Drogen. Natürlich machte sich Ronsard keine Illusionen über die Folgsamkeit seiner Schäfchen, ergo … Drogentests für alle, von der Privatassistentin bis hinunter zur Putzfrau.
Er wusste, dass er sich beständig an einem Abgrund bewegte. Die Leute, mit denen er es tagtäglich geschäftlich zu tun hatte, waren alles andere als aufrechte, gesetzestreue Bürger. Seiner Meinung nach waren es entweder Fanatiker oder Psychopathen. Er hatte sich noch nicht entschieden, welche Sorte die gefährlichere war.
Es gab nur eine Art, mit solchen Leuten umzugehen: mit allergrößter Vorsicht.
Er ließ sich nicht von jedem für seine Vermittlerdienste einspannen. Ein Verrückter, der vorhatte, in einer Schule eine Bombe hochgehen zu lassen, um für den Weltfrieden zu protestieren, würde diese Bombe nicht von ihm bekommen. Auch in der Welt der Terroristen gibt es schließlich Standards, no? Ronsard machte nur mit etablierten Organisationen Geschäfte, Organisationen, die erneut seine Dienste brauchen und ihn daher kaum verpfeifen würden.
Was ihn anging, so war er absolut zuverlässig, wenn es um die Lieferung des Gewünschten ging. Er nahm nichts für seine Dienste, außer der vereinbarten Kommission. Er wusste ganz genau, dass sein Wert von seiner Verlässlichkeit abhing. Aus diesem Grunde tat er alles, was in seiner Kraft stand, damit nichts schief ging, egal wie groß oder klein die Lieferung war. Folglich florierte das Geschäft, und seine Bankkonten in
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