John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
Europa. Falls eine der drei erwähnten Organisationen etwas über Temple wusste, dann würde er – Ronsard – bald ebenso schlau sein.
Cara versuchte derweil, sich, Flüche grummelnd, zu den Datenbanken des FBI Zugang zu verschaffen. Als er ein triumphierendes »Aha!« hörte, wusste er, dass es ihr gelungen war.
»Also da laust mich doch der Affe, die haben ein Foto von ihm!«, rief sie erstaunt aus. »Zwar kein gutes, sein Gesicht ist halb verdeckt, aber immerhin.«
Ronsard erhob sich, trat zu Cara und beugte sich über ihren Stuhl, um auf den Computerbildschirm zu spähen. »Können Sie’s vergrößern?«, fragte er und musterte das körnige, undeutliche Bild eines dunkelhaarigen Mannes, der dabei war, in ein Auto zu steigen.
»Ich kann’s zwar vergrößern, aber das, was die Kamera nicht eingefangen hat, kann ich natürlich auch nicht herbeizaubern, und das ist die andere Hälfte seines Gesichts.«
»Er trägt einen Ring an der linken Hand. Ist es ein Trauring?« Interessant, dachte Ronsard. Nicht, dass Temple vielleicht verheiratet war; das kam schließlich in den besten Familien vor, selbst in denen von Terroristen. Aber dass er ein derart konventionelles Symbol wie einen Trauring trug, war schon amüsant.
Auf dem Foto war ein dunkelhaariger, ziemlich großer Mann abgebildet, wenn man ihn mit der Größe des Autos verglich. Sein Gesicht war teilweise abgewandt, erlaubte jedoch einen guten Blick auf sein linkes Ohr. Das Bild hätte überall aufgenommen worden sein können; kein Nummernschild zu sehen, selbst die Automarke war unmöglich zu erkennen. Das rote Backsteingebäude im Hintergrund war genauso nichts sagend, keine Aufschrift, kein Schild, das Aufschluss über die Lokalität hätte geben können.
»Ich drucke Ihnen die Infos über den Mann aus, während ich an der Vergrößerung des Fotos arbeite«, sagte Cara und ließ den Drucker schnurren.
Das FBI hatte mehr Informationen als Scotland Yard, was nur wieder bewies, wie ernst man es bei den beiden Institutionen mit der Zusammenarbeit nahm. Das FBI war, ebenso wie der Yard, verpflichtet, sämtliche Informationen über einen international gesuchten Terroristen an Interpol weiterzuleiten. Und was Interpol hatte, das bekam Scotland Yard. Das war schließlich der ganze Sinn und Zweck von Interpol. Doch das FBI hatte hinter dem Berg gehalten, und er fragte sich nach dem Grund dafür.
»Temple«, las er da, »Vorname Josef oder Joseph. Geburtsort unbekannt. Den Behörden zum ersten Mal 1987 in Tucson, Arizona, bekannt geworden. Untergetaucht, 1992 in Berlin wieder aufgetaucht. Braunes Haar, blaue Augen. Besondere Kennzeichen: diagonale, zirka zehn Zentimeter lange Narbe über dem linken Schulterblatt, wahrscheinlich verursacht durch ein Messer oder ein anderes scharfes Objekt.«
Ist in den Rücken gestochen worden, überlegte Ronsard. Mr. Temple verfügte offenbar über eine recht interessante Vergangenheit.
»Der Gesuchte wird der Mittäterschaft an dem Anschlag auf das Gerichtsgebäude in Tucson, Arizona, 1987 beschuldigt; an der Entführung eines NATO-Munitionslasters in Italien, 1992 …«, Ronsard hob erstaunt die Brauen. Von dieser Sache wusste er gar nichts, und er hielt sich für einen Mann, der über alles, was in der von ihm gewählten Welt vorging, Bescheid wusste. Insgesamt suchte ihn das FBI wegen fünfzehn verschiedener Straftaten.
Man hielt Temple für einen Einzeltäter, mit keiner Verbindung zu einer terroristischen Organisation. Zumindest war eine solche nicht bekannt. Er war also ein Auftragstäter, überlegte Ronsard; er tötete nicht aus Vergnügen oder für seine eigenen Zwecke, sondern für jeden, der seine Dienste käuflich erwarb, die natürlich nicht billig wären. Die gesuchten Straftaten waren allesamt größeren Kalibers, alle schwierig durchzuführen und je schwieriger, desto teurer.
Wer ihn wohl diesmal bezahlte? Wer hatte von R. D. X.-a gehört und Temple angeheuert, um es zu bekommen? Warum hatten der- oder diejenigen sich nicht direkt an ihn gewandt und stattdessen Temple vorgeschickt? Es musste jemand sein, der eine Menge zu verlieren hatte, wenn er bekannt wurde.
»Es ist kein Trauring«, verkündete Cara und druckte das Foto aus.
Ronsard nahm es, sobald es heraus war. Sie hatte Recht; der Ring besaß eine Art Zopfmuster, wie von einem Dutzend ineinander verflochtener Goldschnüre. Nein, keine Goldschnüre – Schlangen. Das da sah aus wie ein Schlangenkopf.
Und Mr. Temple hatte einen winzigen Goldring
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