John Sincalir - 0971 - Ein Galgen für Morgana (3 of 3)
Dann öffnete er seinen Mund. Die Zunge feuchtete die Lippen an, die nun glänzten.
»Warum bist du nicht mit ihnen gegangen?« erkundigte sich Suko.
»Sie kommen zurecht.«
»Bist du sicher?«
»Ich denke es.«
»Und wenn es nicht stimmt?«
»Ich werde schon gehen. Aber ich muß noch bleiben. Ich weiß, daß wir hier nicht allein sind.«
»Vampire?«
Cursano hob die Schultern. »Natürlich. Es sind nicht nur zwei gewesen. Die anderen haben sich nur besser verstecken können.« Er wies mit seinen dünnen Fingern nach vorn. »Aber jetzt hat sich der Tag verabschiedet. Der Abend ist da, die Nacht wird kommen und mit ihr auch die tiefe Dunkelheit. Du weißt, was das bedeutet?«
»Das ist ihre Zeit.«
»Jaaa – dann werden sie aus ihren Verstecken kommen und sich auf die Suche nach Blut begeben.«
»Aber nicht nach deinem«, sagte Suko spöttisch. »Oder laben sie sich an irgendwelchen Säften, die durch Baumadern fließen?«
Cursano gab keine Antwort und ließ Suko gehen. Er bewegte sich von der Hütte weg, ging langsam, und unter seinen Füßen zerknirschten kleinere Steine. Dennoch beschleunigte er seine Schritte nicht.
Er schien den Geräuschen zu lauschen, die bei diesem Druck unter seinen Sohlen immer wieder entstanden.
Irgendwann blieb er stehen. Er hatte sich einen guten Platz ausgesucht. So konnte er die Häuser und auch den See erkennen, ohne seinen Kopf oder sich selbst bewegen zu müssen.
Es dunkelte immer mehr. Der Himmel hatte auch die letzte Graue des verschwindenden Tageslichts verloren. Er lag wie eine geschlossene Einheit über der Gegend, und eine dünne Schicht von Wolken ließ den Gestirnen keine Chance.
Zumindest waren keine Sterne zu sehen, nur eine blasse Mondsichel schimmerte hin und wieder durch. Was wollte Cursano?
Suko beobachtete ihn und dachte zugleich über ihn nach. Er war etwas Besonderes, und bei diesem Besonderen spielten seine Hände noch eine wesentlich größere Rolle, denn ihre Finger reagierten wie Wünschelruten. Sie schlugen aus, wenn sie etwas Bestimmtes fühlten oder Kontakt mit ihnen bekamen.
Nur war das kein Wasser. Cursano suchte als Geomantologe die Orte der Kraft, denn für ihn war die Erde nicht einfach nur tote Materie, sondern ein lebender Organismus, der sich ständig veränderte und sich immer in Bewegung befand. Nichts blieb gleich. Die Erde bewegte sich. Sie fraß und schuf zugleich neu, denn auch die Orte der Kraft befanden sich in Bewegung.
Mandragoro war eine mystische und auch magische Gestalt. Wie anders hätte sein Geschöpf werden können?
Es war nicht anders.
Es mußte wie er denken und auch handeln. Dabei verwischten natürlich die von Menschen geschaffenen Unterschiede zwischen Gut und Böse. In diesem Fall hoffte Suko darauf, daß es so blieb, denn wenn jemand die sicherlich vorhandenen Blutsauger finden konnte, dann war es Cursano.
Nur sah es momentan nicht danach aus. Aber er wirkte wie jemand, der suchte, da griff Suko schon nach dem kleinsten Strohhalm.
Es passierte.
Zuerst schüttelte Cursano den Kopf oder bewegte ihn nur schneller als gewöhnlich. Aber er schaute danach zu den Hütten und auch zu Suko hin.
Sehr langsam streckte er dabei die Arme aus und drückte die Hände so hoch, daß die Handrücken mit den Fingern eine Gerade bildeten. Cursano hatte Kontakt bekommen. Seine Sensibilität war geweckt worden. Die Haltung zwang Suko dazu, den Atem anzuhalten. Er konzentrierte sich einzig und allein auf die Finger. Sie wirkten sehr angespannt. Als wären sie mit Gummi gefüllt.
Sekundenlang passierte nichts. Bis sich die Spitzen zuckend hin und her bewegten. Die Hände hatten sich wieder in eine magische Wünschelrute verwandelt.
Suko wußte Bescheid. Wenn es hier noch weitere Vampire gab, dann mußten sie sich in den Hütten versteckt halten. Sicherheitshalber wollte er Cursano darauf noch ansprechen und wartete, bis er seine Arme wieder hatte sinken lassen. Die Hände hielt er noch immer nach vorn gestreckt. Er schaute sie genau an. Sie bewegten sich nicht mehr und zitterten nicht mal.
»Sie sind noch hier, nicht wahr?«
Cursano drehte die Finger zusammen, als wollte er ein Wurzelgeflecht bilden. Er nickte. »Ja, das sind sie. Aber ich weiß nicht, wie viele sich hier verborgen halten. Die Häuser hier waren wohl nicht immer bewohnt, deshalb ist es wohl unterschiedlich. Aber ich spüre ihren Einfluß trotzdem.«
Suko verzog die Lippen. Da hatten sie den richtigen Riecher gehabt. Er wußte jetzt nicht, ob er sich
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