John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
er hyperventilierte und das Dach unter ihm wegzusinken schien.
Bleib ruhig, mahnte sich Farouk. Sie werden dich nicht auf diese Weise sterben lassen. Entspanne dich. Atme ruhig. Allmählich beruhigte sich seine Atmung, und nach einigen Minuten erkannte er, dass er immer noch am Leben war. Nun konzentrierte er sich auf seine anderen Sinne: auf die Rufe der Männer rundum, auf den rauen Stoff der Kapuze, die sein Gesicht berührte, auf die Feuchtigkeit, wo sein Speichel die Innenseite der Kapuze benetzt hatte.
Als ihn zwei Männer packten und mit sich fortzogen, taumelte er. Einen Augenblick später fühlte er, wie ihn jemand in seinen dicken Wanst schlug. Grunzend stürzte er zu Boden und rollte sich auf die Seite. Der Schmerz und die Überraschung trafen ihn mit ungeheurer Wucht. Nun bekam er tatsächlich keine Luft mehr. Verzweifelt rieb er das Gesicht an der groben Oberfläche des Daches in der Hoffnung, damit die Kapuze vom Kopf zu ziehen.
»Allah«, stieß er hervor. »Allah.« Dann fühlte er einen Nadelstich im Bein. Ein silberfarbener Frieden breitete sich in seinem Gehirn aus und löschte jegliche Angst. Undurchdringliche Dunkelheit umfing ihn und der Albtraum endete.
Als er wieder erwachte, stellte er fest, dass der Albtraum noch nicht vorüber war. Sobald er die Augen öffnete, sah er nichts. Nichts als die schwärzeste Finsternis. Er schien in ihr zu schwimmen, in einem Meer von Dunkelheit. Die Kapuze. Anscheinend trug er immer noch die Kapuze. Als er versuchte, sie abzustreifen … bemerkte er, dass seine Hände auf den Rücken gefesselt waren. Mit dieser Erkenntnis begannen seine Schultern zu schmerzen, ebenso wie seine Beine, die an den Knöcheln an den Boden gekettet waren. Gleichzeitig war sein schwammiger Hintern kühler Luft ausgesetzt. Der Stuhl, auf dem er saß, hatte keinen Sitz, und man hatte ihm die Hose aufgeschnitten. Seltsamerweise hatte er das Gefühl, als wäre an seinem rechten Zeigefinger eine Krokodilklemme befestigt und ein Klettverschluss an seinem linken Knöchel. Als er versuchte, sie abzureiben, musste er feststellen, dass dies unmöglich war.
Und er war durstig. Verzweifelt leckte er sich die trockenen Lippen mit seiner trockenen Zunge.
»Salam aleikum«, sagte er mit kratziger Stimme.
Keine Antwort. Er versuchte es nochmals, diesmal lauter. »Salam aleikum. Hallo!« Schließlich schrie er richtig. »Allahu akbar.«
Aber er erhielt keine Antwort. Erst in diesem Augenblick fiel Farouk auf, dass er gar nichts hörte. Nicht den geringsten Laut. Weder das Rauschen des Windes, noch das Bellen eines Hundes oder das Brummen eines Automotors. Auch keine Innengeräusche wie von Abwasserrohren oder Lüftungsschächten. Seine Ohren schienen mit Baumwolle zugestopft zu sein. Aber das war nicht der Fall.
War es möglich, dass ihn die Amerikaner hier vergessen hatten? Würde er verdursten?
Farouk mahnte sich zur Ruhe. Er durfte seine Konzentration
nicht verlieren. Ich bin Wissenschaftler, dachte er. Also muss ich meinen Verstand verwenden. Mein Name ist Farouk Khan. Die Kafirs haben mich gefangen genommen. Wie lang ist das her? Ich weiß es nicht. Wo bin ich? Ich weiß es nicht. Sie haben mich unter Drogen gesetzt, mir ein Schlafmittel verabreicht und mich irgendwohin gebracht. So weit, so gut. Als er probeweise tief ein- und ausatmete, bemerkte er, dass jemand ein Loch in die Maske geschnitten hatte, sodass er nun leichter atmen konnte. Gut.
Warum machen sie all das mit mir? Sie wollen wissen, was es mit dem Geigerzähler auf sich hat. Selbstverständlich. Diese Ratte Zayd hatte recht. Er hätte ihn im Lagerraum zurücklassen sollen. Aber die Amerikaner hätten ihn trotzdem gefunden.
Er versuchte, sich zu entspannen. Da er kein primitiver Bauer war, wusste er, dass die Amerikaner bestimmte Richtlinien hatten. Selbst wenn sie ihm diese Kapuze aufzwangen, durften sie ihm keine allzu schlimmen Schmerzen zufügen. Sie würden ihm ihre Fragen stellen und ihn dann in ein Flugzeug nach Guantanamo setzen. Wenn sie ihn nach dem Geigerzähler befragten, würde er sagen … würde er sagen, dass er nicht einmal wusste, was das war. Er sollte sich einen Namen ausdenken. Ein schiitischer Name wäre das Beste. Dann also Hussein. Er würde sich Hussein nennen. Solange er ihnen nicht sagte, wer er wirklich war und was er im Irak tat, war er in Sicherheit.
Immerhin mussten sich die Amerikaner an ihre Richtlinien halten. Er brauchte nichts weiter zu tun, als ruhig zu bleiben.
Als sich die
Weitere Kostenlose Bücher