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John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

Titel: John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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beschränkt. Heute war die Gruppe schwach, aber das konnte sich augenblicklich ändern. Sollte es der Al-Quaida gelingen, den pakistanischen Präsidenten zu töten, könnte das Land plötzlich von einem Wahabi-Fundamentalisten regiert werden. Dann hätte Bin Laden eine Atombombe als Spielzeug. Eine islamische Bombe. Und irgendwann gäbe es dann ein großes Loch in New York, London oder Washington.
    Allerdings entschädigte das Leben in dieser Abgeschiedenheit auch durch einige Einsichten. So hatte Wells den Koran besser kennengelernt, als er je erwartet hatte. Er konnte sich nun vorstellen, wie die Mönche im Mittelalter die Bibel mit der Hand kopierten, und er wusste dadurch auch, wie ein einziges Buch gleichzeitig moralische und spirituelle Führung und Unterhaltung werden konnte.
    Nach so vielen Jahren in Afghanistan und Pakistan war sich Wells bewusst geworden, dass sein islamischer Glaube –
der anfangs nur als Tarnung diente – mittlerweile echt war. Diese Religion berührte ihn viel stärker, als es das Christentum je getan hatte. Wells war der Religion aber immer schon skeptisch gegenübergestanden. Wenn er nun nachts in seinem Bett den Koran las, kamen ihm heute dieselben Zweifel über das versprochene Paradies wie damals über die Auferstehung Christi in den Evangelien der Apostel. Andererseits gefielen ihm die Mahnungen des Korans, dass alle Menschen einander wie Brüder behandeln und alles für wohltätige Zwecke spenden sollten, was sie entbehren konnten. Die Umma, die Gemeinschaft der Gläubigen, war hier Wirklichkeit. In jedem Haus des Dorfes würde man ihm eine Tasse süßen heißen Tee und eine Mahlzeit anbieten, obwohl die Familie kaum imstande war, die eigenen Kinder zu ernähren. Im Islam benötigte auch niemand einen Priester, um Gott nahe zu kommen; jeder, der fleißig lernte und bescheiden war, konnte selbst Erleuchtung suchen.
    Nach Wells’ Ansicht war jedoch dieser größte Vorteil des Islams gleichzeitig seine gefährlichste Schwachstelle. Durch ihre Flexibilität sammelten sich unter dem Deckmantel dieser Religion all jene wütenden Männer, die es leid waren, unter dem Diktat der USA und des Westens zu leben. Der Islam war der Marxismus des 21. Jahrhunderts, ein Aushängeschild für nationale Befreiungsbewegungen verschiedenster Art. Abgesehen davon, dass die Hohepriester des Marxismus ihren Anhängern nie eine Belohnung in der nächsten Welt im Tausch für ihren Tod in dieser versprochen hatten. Fundamentalisten wie Bin Laden hatten ihre Wut gegen die Vereinigten Staaten mit einer besonders hässlichen Vision des Islams verwoben. Sie wollten die Religion in die Dunkelheit des 17. Jahrhunderts zurückstoßen. Nur weil es ihnen nicht gelang, mit der modernen Welt Schritt zu halten, gaben
sie vor, dass sie gar nicht existierte. Oder schlimmer noch, sie zerstörten sie einfach. Ihre Wut fand bei Hunderten Millionen verzweifelt armer Muslime Widerhall. In Wells’ Augen hatten sie jedoch nur die Religion verdreht, die sie angeblich vertraten. Der Islam war keineswegs unvereinbar mit Fortschritt. Immerhin gehörten islamische Länder einst zu den fortschrittlichsten der Welt. Während die Christen vor achthundert Jahren Hexen verbrannten, gründeten die islamischen Abasiden in Bagdad eine Universität, die achttausend Bücher umfasste. Dann waren die Mongolen in das Reich eingefallen, und von da an war es stetig bergab gegangen.
    Wells behielt seine Ansichten für sich, während er für alle sichtbar täglich mehrere Stunden mit Scheich Gul und den Gelehrten in der Medresse des Dorfes den Koran studierte. Auch weil dies seinen Anführern in der Al-Quaida bereits aufgefallen war, blieb Wells in der Nordwestprovinz. Anscheinend hatte er die Führungsriege der Al-Quaida endlich von seiner Loyalität überzeugt; auch die anderen Dschihadis im Dorf legten nun mehr Wert auf seine Worte. Zumindest hoffte er das.
    Mittlerweile war Wells an der Reihe, um Scheich Gul zu begrüßen. Als traditionelles Zeichen seiner Zuneigung berührte er sein Herz und sagte: »Allahu akbar.«
    »Allahu akbar«, antwortete der Scheich. »Wirst du morgen früh in die Moschee kommen, um zu studieren, Jalal?«
    »Es wird mir eine Ehre sein«, gab Wells zurück.
    »Salam aleikum.« Friede sei mit dir.
    »Aleikum salam.«
     
    Aus der Moschee trat Wells auf die staubige Hauptstraße des Dorfes hinaus. Während er noch im schwachen Licht der Frühlingssonne blinzelte, kamen zwei bärtige Männer auf
ihn zu. Wells kannte sie

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