John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
sein.«
»Dann wäre es also töricht von uns, Soldaten zu entsenden? «
Wells mahnte sich dazu, nicht allzu negativ zu klingen. »Wir können sie nicht daran hindern, Saddam zu vernichten. Aber danach, wenn sie das Land übernommen haben, dann werden sie verwundbar sein. Inschallah, so Allah will, können wir sie dann tagtäglich treffen und mit kleinen Anschlägen langsam aufreiben.« Bei diesen Worten fühlte sich Wells schuldig. Wie viele amerikanische Soldaten würden wohl in der Art von Krieg sterben, den er vorgeschlagen hatte? Bin Laden wäre aber gewiss zur selben Schlussfolgerung gelangt. Nur mit Guerillataktik konnte man die amerikanische Armee bekämpfen.
Nachdenklich wandte Bin Laden den Blick ab und strich sich über den Bart. Als er wieder zu Wells hinübersah, lag ein listiges Funkeln in den zusammengekniffenen Augen. »Ja«, sagte er schließlich lächelnd. »Ja. Danke, Jalal.« Mit einem Wink bedeutete ihm der Scheich zu gehen.
Zwei Jahre später hatte man Wells zu einem weiteren Treffen in eine andere Höhle gebracht, wo ihn Bin Laden über den Hoover Damm befragte. »Ist er ein wichtiges Symbol für die USA?«, hatte er sich erkundigt. Wells hatte wahrheitsgemäß geantwortet. Die meisten Amerikaner wussten nicht einmal, was der Hoover Damm war und wo er stand.
»Bist du sicher, Jalal?«, fragte Bin Laden enttäuscht nach.
Wells warf einen Blick auf die Leibwächter neben Bin Laden und wünschte sich nichts sehnlicher als eine Pistole oder ein Messer, dessen Spitze in Rattengift getaucht worden war. Selbst ein Chip in seiner Schulter hätte schon genügt, damit eine B-2 eine Bombe auf dieses stinkende Loch fallen ließ. »Ja, Mudschaddid«, antwortete er.
Bin Laden nickte. »Schukran«, sagte er schließlich, worauf die Wächter Wells hinausbegleiteten. Wer weiß, vielleicht war es ihm zu verdanken, dass der Hoover Damm immer noch stand.
Wells wusste nicht, was der davon halten sollte, dass er nun hier in diesem Toyota saß. Wenn sie ihn hätten erschießen wollen, hätten sie ihn nur in die Berge führen müssen oder einfach im Schlaf abknallen können. Die pakistanische Polizei hätte gewiss keine umfangreiche Untersuchung eingeleitet. Immerhin wagte sich die Polizei ohne Begleitschutz durch die pakistanische Armee kaum in die Nordwestprovinz.
Aber sie fuhren nicht in die Berge sondern nach Peschawar.
Vermutlich stieg damit seine Chance zu überleben, dachte Wells. Sofern sie nicht von einem Bus gerammt würden. Die pakistanischen Straßen waren das reinste Glücksspiel, und Bassim fuhr, als wolle er noch zum Nachmittagstee bei Allah sein. Wells’ Kopf kippte nach hinten, als Bassim unvermutet den Wagen auf die Gegenfahrbahn riss, um einen mit billigen Holzmöbeln beladenen Lastwagen zu überholen. Als die durchdringende Hupe eines entgegenkommenden Tankwagens ertönte, schnitt Bassim vor dem Möbeltransporter wieder auf seine Spur. Um ein Haar wäre er dabei von der Straße in eine Schlucht geschlittert.
»Ganz ruhig, Bassim«, mahnte Wells. Sofort starrte ihn Bassim finster an, ohne der Straße auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Gleichzeitig beschleunigte er den Toyota, der dadurch einem mit Propangaszylindern beladenen Traktor gefährlich nahe kam.
»Gefällt es dir nicht, wie ich fahre? Willst du vielleicht selbst fahren?«
Jesus Christus, dachte Wells – diese geistige Macke würde er wohl nie loswerden. Die gesamte islamische Welt litt unter einer massiven Testosteron-Überdosis, und die Dschihadis waren davon am stärksten betroffen. »Natürlich nicht«, lenkte Wells ein, wobei er sich bemühte, möglichst gleichgültig auszusehen. Würde man an seinem Gesicht auch nur den Anflug eines Lächelns erkennen, würde Bassim den Wagen sicher in den Graben lenken, nur um zu beweisen, dass er es konnte. »Du fährst großartig.«
Ein lang gezogenes Hupen lenkte Bassims Aufmerksamkeit wieder zurück auf die Straße. Im nächsten Augenblick würden sie in die Rückseite des Propangas-Anhängers krachen. Sofort stieg Bassim mit aller Kraft auf die Bremse, sodass der Toyota schlingernd am Straßenrand zum Stillstand
kam. »Siehst du, an meiner Fahrweise ist nichts auszusetzen«, erklärte Bassim. »Meine Reflexe sind hervorragend.«
»Nam«, stimmte Wells zu.
»Mein Vater war ein berühmter Fahrer, und ich habe von ihm gelernt.«
»Dein Vater ist bei einem Verkehrsunfall gestorben«, ließ sich nun der ansonsten schweigsame Schihab von der Rückbank
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