John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
an einem grünen Minivan, trug eine marineblaue Bluse und graue Hosen, die ihre schmalen Hüften hervorhoben.
Als er neben ihr parkte, lächelte sie nicht. Doch als er aus seinem Pick-up stieg, trat sie auf ihn zu und umarmte ihn fest. »John«, sagte sie, während sie ihn von sich hielt, um ihn anzusehen. Er drückte sie an den Minivan, schlang die Arme um sie und küsste sie. Ihre Lippen vereinten sich so leicht, wie zwei Wolken ineinanderglitten. Er fühlte ihren Körper an seinem und ihre Brüste an seiner Brust. Schließlich schob sie ihn weg.
»Du bist doch nicht dafür gekommen«, sagte sie.
»Nicht nur dafür.«
Er nahm ihre Hand und führte sie in den Park, wo sie von Auwäldern umgeben waren. Die Geräusche der Stadt verschwanden und die Luft wurde feucht und schwer. Schweigend gingen sie zum Anacostia River, ohne sich wirklich zu berühren, zufrieden damit, Seite an Seite zu gehen. Schließlich endete der Pfad am Ufer des schlammig braunen Flusses.
»Woher kennst du diesen Park?«, erkundigte sich Exley, während sie zusah, wie das Wasser gemächlich nach Süden strömte. »Ich habe nie davon gehört.«
»Nach meiner Zeit auf der Farm bin ich mehrmals hierhergekommen. Als ich meine Sprachausbildung erhielt.«
»Mit Heather.«
»Eifersüchtig?«
»Warum sollte ich eifersüchtig sein?«, fragte sie lächelnd zurück.
Er zitterte, als eine Brise vom Fluss heraufstrich.
»Bist du in Ordnung, John? Du siehst müde aus.«
»Ich bin zu lange gefahren«, erklärte er. »Khadri hat mich nach Montreal geschickt, um einen Aktenkoffer abzuholen.« Er erzählte ihr, was er am Vortag mit Tarik erlebt hatte, und dass er vermutete, dass es noch einen anderen Kurier gab.
»Du weißt nicht, was drin ist?«
»Der Koffer ist verschlossen, und ich habe nicht versucht, ihn zu öffnen.«
»Triffst du dich mit Khadri hier in Washington?«
»Nein. Ich wollte weiterfahren in den Süden, aber er hat eben angerufen. Der Plan wurde geändert. Jetzt soll ich umkehren und nach New York fahren. Irgendetwas wird geschehen. Besser gesagt, es geschieht schon.«
»Shafer denkt dasselbe.«
Er sah erst zu ihr hinüber und dann auf den Fluss hinaus. »Willst du mir davon erzählen?«
»Ich hatte gehofft, du könntest mir etwas sagen«, gab sie mit schwachem Lächeln zurück.
»Es ist wie im antiken Rom: Wir opfern Schafe, lesen aus den Eingeweiden und versuchen herauszufinden, welche Katastrophe die Götter als Nächstes für uns bereithalten.«
»Sie sind keine Götter.«
»Aber sie wären es gern«, sagte er. »Wütende heidnische Götter, die Blitzschläge schleudern, nur weil sie es können.«
»Glaubst du an Gott, John? Nicht an diese kleinen Götter, sondern an den großen?«
Die Frage ließ ihn einen Augenblick lang innehalten. Sein Blick folgte den Sperlingen, die über den Fluss flogen, und er dachte an den Koran in seinem Pick-up und die Männer, die er getötet hatte. »Ja«, sagte er schließlich. »Aber ich bin nicht sicher, ob er auch an mich glaubt.«
»Ich meine es ernst …«
»Ich auch. Ist es möglich, all das zu tun, was ich getan habe, und trotzdem seine Gnade zu fühlen? Trotzdem Frieden zu finden? Ich fürchte, ich habe ihn ein weites Stück hinter mir gelassen.«
»Als Kind war ich gläubig«, erzählte Exley. »Dann ist mein Bruder verrückt geworden, und ich habe aufgehört zu glauben. Mir erschien es zu grausam, jemandem auf diese Weise den Verstand zu rauben. Einmal, als seine Medikamente wirkten, haben wir herumgealbert. Ich fragte ihn: ›Wie kommt es, dass dir Gott nie sagt, geh einkaufen? Wie kommt es, dass er immer nur das Wasser ist vergiftet, in deinem Gehirn ist ein Chip, die Außerirdischen kommen‹ sagt? Er hat gelacht, richtig gelacht. Und ich auch. Aber das war nur ein flüchtiger Moment. Jetzt, wo ich selbst Kinder habe, will ich sehr gern
wieder glauben, wenn schon nicht um meinetwillen, dann um ihretwillen. Ich will glauben, dass es mehr gibt als nur dies hier.«
»Ich weiß, was du meinst«, sagte Wells, während er ihren Arm berührte. »Jenny. Weiß jemand, dass ich hier bin?«
»Zurück zur Arbeit? Nein. Nicht einmal Shafer. Du bist gefährlich, John. Schlimmer als gefährlich. In diesem Augenblick ist meine Karriere zu Ende. Vielleicht lande ich sogar im Gefängnis.«
»Das tut mir leid, Jenny.«
»Es ist nicht deine Schuld. Wo warst du seit April?«
»Die meiste Zeit über habe ich nur untätig auf meinem Hintern gesessen.«
»Wo?«
Eigentlich wollte er es ihr
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