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John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

Titel: John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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…«
    »Darüber wird nicht verhandelt. Entweder ich komme mit, oder ich rufe Duto an. Jetzt sofort.« Dabei zog sie ihr Mobiltelefon aus der Tasche.
    Eine Krähe krächzte im Wald hinter ihnen. Wells wandte sich von ihr ab und sah zum Himmel empor. »Hast du eine?«, fragte er.
    »Was?«
    »Eine Waffe? Hast du eine Pistole?«
    »Nein.«
    Als er sich wieder zu ihr umdrehte, hielt er eine dicke graue 45er in der rechten Hand und einen Zylinder in der linken. Langsam schraubte er den Schalldämpfer auf die Mündung. Der Fluss und der Park waren menschenleer. Niemand würde es sehen. Nein, dachte sie. Das ist unmöglich. Das kann er nicht tun. Das wird er nicht tun.
    »John«, sagte sie und hielt den Atem an.
     
    Da streckte er ihr die Pistole entgegen, damit sie sie nahm.
    Erleichtert atmete sie aus. Wusste er, was er da eben getan hatte? Hatte sie die Situation nur missverstanden? Oder hatte er sie bewusst in Angst versetzt, um sie an all die Jahre
zu erinnern, die er draußen im Einsatz verbracht hatte, während sie hinter dem Schreibtisch gesessen hatte? Sie würde es nie wissen, und sie würde nie fragen. Während ihre Angst abklang, erinnerte sie sich, dass sie einander nicht annähernd so gut kannten, wie sie gern vorgab.
    Nachdem sie auch den letzten Rest ihrer Angst abgeschüttelt hatte, konzentrierte sie sich auf die Pistole. Sie war schwerer, als sie erwartet hatte, so dass sie beide Hände benötigte, um sie ruhig zu halten.
    »Wann hast du das letzte Mal mit einer Pistole geschossen? «, erkundigte sich Wells.
    Sie erinnerte sich nicht mehr daran. Selbstverständlich hatte sie auf der Farm gelernt zu schießen, aber das war lange her. Die CIA bestand nicht darauf, dass ihre Analytiker regelmäßig Schießübungen absolvierten. »Vor ein paar Monaten«, sagte sie ruhig. »Ich gehe jedes Jahr einmal auf einen Schießstand.«
    Während sie die Pistole betrachtete, erinnerte sie sich an ihr Training. Sie zog den Schlitten zurück, um eine Patrone in die Kammer zu schieben, und zog ihn nochmals zurück, um die Patrone auszuwerfen. Wells fing sie in der Luft auf und steckte sie in die Tasche. Sie ließ die Sicherung einklinken und löste sie wieder. Dann zog sie das Magazin aus dem Griff und steckte es wieder hinein.
    Wells nahm die Pistole, zog den Schlitten nochmals zurück, und streckte sie ihr wieder entgegen.
    »Schieß«, forderte er sie auf. »Den Fluss hinunter. Halt sie fest, denn sie wird dich stoßen.«
    Sie zögerte.
    »Wenn du es jetzt nicht kannst, kannst du es sicher nicht, wenn dir jemand gegenübersteht«, sagte er.
    Sie hob die Pistole und drückte den Abzug. Wie er vorhergesagt
hatte, zuckte die Waffe scharf hoch. Obwohl sie der Rückstoß einen Schritt zurückschob, gelang es ihr, die Arme ruhig zu halten. Durch den Schalldämpfer klang der Schuss hohl, als hätte man mit der hohlen Hand auf eine Tischplatte geschlagen. Das Geräusch verklang schnell und ohne Echo. »Was ist mit dir?«, fragte sie.
    »Was meinst du?«
    »Wo ist deine Pistole?«
    Er schob die Jeans hoch und zeigte ihr das an sein Bein gebundene Messer. »Das wird reichen«, sagte er. »Hör zu. Du musst etwas über diese 45er wissen.«
    »Ich höre.«
    »Wenn du in eine Situation kommst, wo du sie brauchst, musst du sofort schießen. Keine Höflichkeiten. Keine Aufforderung, dass der andere stehenbleiben soll. Nichts davon. Kein Wort. Schieß einfach. Denn wenn du in so eine Situation kommst und wartest, ist es zu spät.«
    »Wie weiß ich, dass ich in so einer Situation bin?«
    »Du wirst es wissen.«
    Sie nickte schweigend, obwohl sie nicht sicher war, ob sie ohne Warnung auf einen Menschen schießen konnte. Aber wenn sie das eingestand, würde Wells sie nicht mitnehmen.
    »Gut«, sagte er, während er sich vorlehnte, sich zu ihr hinabbeugte und den Mund öffnete, um sie zu küssen.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wenn wir mit dieser Sache fertig sind«, sagte sie.
    »In Ordnung. Wenn wir mit dieser Sache fertig sind.«
    Dann drehten sie sich um und gingen vom Fluss zurück zum Parkplatz. New York wartete.

17
    Vom Major Deegan Expressway bog Wells nach South Bronx ab. Hier reihten sich lange dunkle Häuserblöcke aneinander, in denen sich die New Yorker Stadterneuerung noch nicht bemerkbar machte. Der offene Drogenmarkt auf der Straße war verschwunden, aber immer noch lehnten Frauen in kaum handbreiten Röcken an den Autos auf der Suche nach Kundschaft. Vor den hell erleuchteten Bodegas standen Männer in Gruppen zusammen

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