John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
er das dir überlässt. Er ist sicher, dass du dir etwas ausdenken wirst.«
»Ich freue mich, dass er so viel Vertrauen in mich setzt«, sagte Wells.
Auf der langen Rückfahrt nach Quebec City sagte Tarik kein weiteres Wort, und Wells drängte ihn auch nicht.
Die Garage in Quebec City war schon beinahe leer, als sie zu dem kleinen weißen Pick-up hinauffuhren. Nie zuvor hatte sich Wells so gefreut, den Wagen zu sehen. Als er aus dem Minivan ausstieg, folgte ihm Tarik zu seiner Überraschung. »Möge Allah auf dich herablächeln, Jalal«, sagte er auf Arabisch, während er die Hand auf sein Herz legte. Wells antwortete auf dieselbe Weise.
»Und auf dich, Tarik.«
»Und möge er uns siegreich machen.«
»Inschallah.«
Als Wells Tarik die Hand bot, umarmte ihn der kleinere Mann stattdessen unbeholfen. Dann zog Wells die blaue Reisetasche aus dem Windstar und stellte sie in seinen Pick-up. Nachdem er Tarik ein letztes Mal zugewinkt hatte, lehnte er sich an seinen Wagen und sah zu, wie der Minivan verschwand. Sobald der Windstar nicht mehr zu sehen war, glitt Wells hinter das Lenkrad des Pick-ups, ohne zu starten. Wenn das eine verdeckte Operation war, würde er den Cops genug Zeit geben, ihn festzunehmen, ohne sich zu widersetzen. Da die Garage leer blieb, drehte er den Schlüssel im Zündschloss und fuhr aus Quebec City hinaus in die Nacht.
Als Wells den einsamen Grenzposten erreichte, zeigte die Uhr im Ranger 1:04 Uhr nachts. Obwohl er sich fühlte, als
wäre er eine Ewigkeit gefahren, stand er erst am Beginn seiner Heimreise.
Der Grenzbeamte betrachtete den Führerschein ausgiebig. »Haben Sie auch einen Pass?«
»Nein, Sir.«
»Wann sind Sie nach Kanada eingereist?«
»Erst gestern morgen.«
»Aus Georgia?«
»Aus Atlanta.«
»Das ist eine weite Strecke für einen so kurzen Besuch.«
»Ich habe ein Mädchen in Quebec City besucht«, erklärte Wells. »Wir haben uns im Internet kennengelernt. Es hat aber nicht so gut funktioniert. In Wirklichkeit ist sie zweimal so dick wie auf den Fotos, die sie mir geschickt hat.«
»Das ist Pech«, gab der Grenzbeamte lachend zurück. »Man darf den Kanadierinnen nicht trauen.« Dann sah er auf den Beifahrersitz des Ranger. »Was ist in den Taschen?«
»Nur Kleidung. Ich habe gehofft, länger zu bleiben. Immerhin habe ich mir eine ganze Woche freigenommen.«
»Keine Drogen, Waffen oder Ähnliches?«
»Nein, Sir.«
»Dann wünsche ich das nächste Mal mehr Glück.« Damit gab der Grenzbeamte Wells den Führerschein zurück. »Willkommen zu Hause. Und fahren Sie vorsichtig.«
Und schon war er wieder in den USA.
Eine halbe Stunde später hielt Wells am Straßenrand, um sich neben dem Highway zu erleichtern. Als er zum Nachthimmel emporsah, der so weit im Norden noch nicht von Umweltverschmutzung getrübt war, erinnerten ihn die glitzernden Sterne an Afghanistan. Ob er jene Berge je wiedersehen würde? Was würde er dann denken? Vielleicht würde
er mit Exley eines Tages dort Urlaub machen. Abenteuertourismus.
Dann griff er zum Telefon und wählte die Nummer, die ihm Khadri am Tag zuvor per E-Mail geschickt hatte. »Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht«, ertönte Khadris Stimme. »Ich bin durch«, sagte Wells. »Heute Nacht bin ich wieder in Atlanta. Spät in der Nacht.« Klick.
In dem Motelzimmer in Chestertown setzte sich Wells auf sein Bett und öffnete behutsam den Reißverschluss der blauen Tasche. Zum Vorschein kamen mehrere T-Shirts … eine Jeans … einige muffige Socken und Unterwäsche. Und ein Hartschalenaktenkoffer aus Kunststoff, der mit einem Digitalschloss versehen war. Verwundert fragte sich Well, wie er diesen Koffer dem Grenzbeamten hätte erklären sollen. Dann wog er ihn in der Hand. Er hatte etwa zehn Kilogramm. Das war nicht schwer genug für eine Atombombe. Aber trotzdem konnte der Koffer genug Plutonium für eine Bombe enthalten. Genug Anthrax, um eine Stadt auszulöschen. Genug Sarin, VX, Pocken-Erreger. Einfach alles. Dies war die Büchse der Pandora.
Nachdem Wells den Koffer eine Minute lang abgeklopft hatte, gab er auf. Möglicherweise konnte er ihn mit Gewalt öffnen, aber wozu sollte er sich die Mühe machen? Wenn Khadri ihn als Köder einsetzte, würde der Koffer entweder leer sein oder mit einer Sprengfalle versehen. Wenn der Koffer jedoch etwas Wichtiges enthielt, musste Khadri es bekommen. Und dann … Das Messer an Wells’ Bein zuckte, als wäre es lebendig. Khadri würde dieses Treffen nicht
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