John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
angereichertes Uran hinzufügen zu können und vielleicht sogar genug Material anzusammeln, um sich seinen Traum von einer Atombombe zu erfüllen. Doch dann war Dmitri, der russische Wissenschaftler, gestorben. Farouk war verschwunden. Und jetzt kamen ihm die Ungläubigen immer näher. Da war es das
Beste, das zu verwenden, was Allah ihnen geschenkt hatte, ehe die Gelegenheit verstrich.
Nachdem Khadri die Box wieder verschlossen hatte, legte er sie zurück in den Koffer, in dem sie auch die empfindlichsten Kernstrahlungsdetektoren nicht aufspüren konnten. Wenn das C4 explodierte, würde der Koffer verdampfen und das Plutonium und das Uran würden sich kilometerweit verbreiten. Eine sehr schmutzige Bombe. Mitten in Manhattan.
»Hoch!« Die beiden Männer hoben den Koffer in den Gelben, wo er perfekt zwischen die Kisten mit C4-Sprengstoff passte.
»Allahu akbar«, sagte Ghazi leise.
»Allahu akbar.« Khadri war mit der Arbeit dieses Tages zufrieden. Der erste Teil seines Plans war bereit. Der zweite Teil würde sich auch noch einfügen, sobald Wells sein Paket lieferte. Einen Augenblick lang dachte Khadri über das Schicksal nach, das den Amerikaner erwartete. Wenn Wells’ Loyalität der Al-Quaida gegenüber echt war, würde er als Märtyrer sterben, dachte Khadri. Wenn nicht …würde er einfach sterben. In jedem Fall würde Wells schon bald in den Händen Allahs sein, des Allmächtigen. Er sollte sich freuen.
Da der Fluss und der Highway Kenilworth von den übrigen Teilen Washingtons trennten, hatte sich das Sozialwohnungsprojekt zu einer eigenen Welt entwickelt, zu einer Gravitationssenke für Drogensucht und Armut. Die schimmernde Kuppel des Kapitols war nur etwas mehr als drei Kilometer von den Flachbauapartments von Kenilworth entfernt. Und doch könnten sie einer anderen Galaxie angehören.
Unmittelbar neben diesem Siedlungsprojekt verbarg sich jedoch eine wahre Oase: Der 1882 gegründete Nationalpark Kenilworth Aquatic Gardens mit seinen üppigen Auwäldern,
in denen unzählige Salamander, Schnappschildkröten und mitunter sogar ein Gürteltier lebten. Wells hätte gern vorgegeben, dass er den Park wegen seiner Schönheit für sein Rendezvous mit Exley gewählt hatte. In Wirklichkeit hatte er ihn vorgeschlagen, weil es der abgeschiedendste Ort in Washington war. Falls ihn Exley den Behörden übergeben wollte, würde es den Agenten schwerfallen, sich zu verbergen.
Während sich Wells in seinem Ranger über den Highway 295 dem Park näherte, hatte er jedoch das sichere Gefühl, dass Exley allein sein würde. Seit jener Nacht im Jeep hatte er ihr bedingungslos vertraut. Vielleicht sogar schon seit dem Tag, als sie sich vor so vielen Jahren auf der Farm kennengelernt hatten und sie beide noch jung und verheiratet waren.
Offenbar hatte er sich doch seinen Glauben bewahrt, wenn auch nicht an die CIA, an Allah oder an Amerika. Aber an sie.
Auf seinem Weg hielt er unter einer Fußgängerbrücke, die mit einem stählernen Maschenzaun verkleidet war, um die Fahrer vor den Kids aus der Nachbarschaft zu schützen, denen es Freude bereitete, Steine auf die Straße hinunterzuschleudern. Das war Kenilworth. Nachdem er die 45er aus der Tasche genommen hatte, schraubte er den Schalldämpfer ab und steckte beide Teile in seine Jacke. In diesem Augenblick läutete das Telefon. Während er Exley erwartet hatte, stand im Display die 914-Vorwahl von Westchester, einer Stadt im Norden von New York.
»Jalal«, erklang Khadris Stimme.
»Nam.«
»Wo bist du?«
»In unserer Bundeshauptstadt.«
»Ausgezeichnet«, antwortete Khadri lachend.
»Heute Nacht bin ich zu Hause.«
»Leider nein. Ich brauche dich in New York. So schnell wie möglich.«
Wells fühlte sich zurückversetzt in die ersten Wochen in der Armee, wo er mit scheinbar unsinnigen Befehlen hin und her gejagt worden war. Khadri hatte doch gewiss eine vernünftige Vorstellung von seiner Route. Warum hatte er nicht früher angerufen, bevor er nach New York gekommen war? Aber es hatte keinen Sinn zu streiten.
»In New York City?«
»In der Bronx.« Khadri nannte ihm eine Adresse.
»Wir sehen uns dort«, sagte Wells. Erst nachdem er aufgelegt hatte, fiel ihm etwas Seltsames auf. Khadri hatte sich gar nicht nach dem Paket erkundigt. Er hatte nicht die geringste Andeutung gemacht.
Zehn Minuten später fuhr er auf den Parkplatz des Nationalparks. Nirgendwo entdeckte er Anzeichen einer Überwachung. Er sah sie sofort. Sie lehnte mit gekreuzten Armen
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