John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
Zitternd konzentrierte sich Wells wieder auf die 7th Avenue.
Aus irgendeinem Grund wusste er, dass Khadri in unmittelbarer Nähe war. Der Gelbe. Das musste eine Art von Fahrzeug sein, dachte Wells. Ein gelbes Taxi wäre möglich, aber etwas zu offensichtlich. Khadri hatte so selbstzufrieden
gewirkt, als er ihm im Apartment davon erzählt hatte. Nein, kein Taxi und kein Truck. Ein Truck war zu groß und zu schwierig zu verbergen. Der Gelbe war etwas anderes, etwas, das groß genug war, um eine mächtige Bombe zu transportieren, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Was konnte das sein?
Eine Polizeistreife bog in die 47th Street ein und hielt vor ihm an. Die Polizisten betrachteten ihn neugierig. Schließlich rollte der Fahrer das Fenster hinunter.
»Alles in Ordnung, Kumpel? Du siehst ein wenig mitgenommen aus.«
»Alles in Ordnung«, gab Wells zurück, während er sich bemühte, nicht zu husten.
50th Street … 49th Street … 48th Street …
Während Khadri den Gelben nach Süden steuerte, klammerte er sich mit beiden Händen am Lenkrad fest, um seinen Adrenalinspiegel unter Kontrolle zu halten. Der Verkehr schob sich nun schon so langsam vorwärts, dass die Fußgänger auf den Bürgersteigen gleich schnell waren wie er. Aber das war ihm gleichgültig. Nichts konnte ihn jetzt noch aufhalten. Seine Hände zitterten, jedoch nicht vor Angst. Vermutlich sollte er sich fürchten, aber er fühlte nichts als Erregung. Die Welt würde sich noch lange an diesen Tag erinnern.
An der Ecke von 47th Street und 7th Avenue kam der Verkehr vollständig zum Stillstand. Drei schwarze Lincoln-Limousinen, ein UPS-Lieferwagen, ein Range Rover, ein alter Volkswagen Jetta und ein kleiner Schulbus – den die Kinder in Montana ›Zwerg‹ nannten. Der Bus war leer bis auf den Fahrer, und trotzdem saß er tief auf den Rädern, als würde er eine schwere Last transportieren.
Als Wells erneut hinübersah, begriff er. Khadri. Dieser Ironiker. Natürlich. Niemand würde sich zweimal nach einem Schulbus umblicken.
Der Gelbe stand als Zweiter an der Ampel auf der Westseite der 7th Avenue, hinter einem Lincoln. Vielleicht zwanzig Meter entfernt. Drei Sekunden, wenn er rannte. Zehn, wenn er ging. Wells zog die Kappe tief ins Gesicht und ging nach Osten auf die 7th Avenue zu. Khadri hatte recht behalten, dachte er: Sie würden einander wiedersehen, aber nicht im Paradies, sondern auf dem Times Square.
»Hey, Kumpel«, rief ihm der Cop nach. Aber Wells ging unbeirrt hinter dem Streifenwagen vorbei und durch die Taxis hindurch, die sich auf der 47th langsam weiterschoben.
Fünfzehn Meter. Ein schwerer Hustenanfall schüttelte ihn, ohne dass er auch nur versuchte, ihn zu verhindern. Wenn er diesen Bus nicht erreichte, würden die Menschen um ihn bald größere Probleme haben als die Pest.
»He, ich rede mit dir«, rief ihm der Cop immer noch freundlich hinterher.
Als Wells die Nordseite der 47th Street erreichte, wandte er sich nach rechts quer durch die Trauben von Männern in Anzügen, die nach Westen eilten, zum Bürogebäude von Morgan Stanley. Zehn Meter. Noch immer nicht nahe genug. Der Zünder lag sicher auf Khadris Schoß.
Wells griff nach der Pistole in seinem Hosenbund, hielt sie aber unter seiner Jacke versteckt.
Ein Blick über die Schulter sagte ihm, dass die Cops aus dem Streifenwagen stiegen. Nun begann er, auf den Bus zuzulaufen.
Sieben Meter. »Stopp!«, brüllte einer der Cops, aber die gewaltige Hupe eines UPS-Trucks übertönte seine Stimme. Nun konnte er Khadri auf dem Fahrersitz des ansonsten leeren
Busses erkennen. Er saß gerade, mit hochgestrecktem Kopf, als könnte er schon das Paradies sehen.
Drei Meter.
Nur noch ein paar Sekunden, sagte sich Khadri. Dann würde die Ampel auf Grün schalten, und er würde noch zwei Blocks weiterfahren, bis ins Zentrum des Platzes bei der 45th Street … dort wäre sein Werk vollendet. Nur noch ein paar Sekunden. Zwei Blocks. Der Zünder lag zu seinen Füßen. Er gestattete sich nicht, ihn zu berühren, damit er nicht der Versuchung erlag, ihn zu früh zu drücken. Diese Mission sollte perfekt sein.
Dann entdeckte er den Mann mit der Red-Sox-Kappe, der mit einer Pistole in der Hand auf den Bus zulief.
Khadri schrie in animalischer Wut auf und griff nach dem Zünder ...
Wells’ erster Schuss durchschlug seine Brust und schleuderte ihn gegen das Fenster. Khadri fühlte keinen Schmerz sondern nur unendliche Wut. Er würde nicht zulassen, dass ihm die Kafirs dies
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