John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
immer heute geschieht, pass auf ihn auf.« Es war ihm gleichgültig, ob er zum Gott der Muslime oder der Christen betete, und vermutlich war es dem Gott selbst auch gleich.
Nachdem er sich die Red-Sox-Kappe tief ins Gesicht gezogen hatte, steckte er Ghazis Pistole in den Hosenbund und verdeckte sie mit seinem T-Shirt. Blinzelnd stieg er aus dem Auto hinaus in das trübe Morgenlicht. An den Wagen gelehnt, überlegte er, wohin er gehen sollte. Im Radio hatte er die Meldung von der Schießerei in Apartment 3C gehört, aber noch keinen Hinweis auf eine Großfahndung der Polizei, keine Straßenblockaden oder heulenden Sirenen. Offenbar war Exley noch immer bewusstlos, oder niemand hatte seinen Anruf in Langley mit dem Blutbad in dem Apartment in Verbindung gebracht. Vermutlich würden die CIA und
das NYPD bald den Zusammenhang erkennen. Wahrscheinlich schon in den nächsten Stunden. Aber das war vielleicht nicht schnell genug.
Einen Augenblick lang überlegte er, ob er in die nächste Polizeistation gehen und erklären sollte, wer er war, um sie zu ersuchen, eine Fahndung nach Khadri auszuschreiben. Aber die Cops würden nicht sofort Alarm geben, nicht auf das Wort eines zerzausten Mannes von der Straße, der sich als CIA-Agent ausgab und eine Geschichte über Pest und eine schmutzige Bombe erzählte. Sein persönliches Auftauchen würde eine Alarmfahndung vielleicht nur verzögern. Vor allem, weil sich die Cops vorwiegend dafür interessieren würden herauszufinden, in welcher Weise er an der Schießerei beteiligt war. Nein. Sobald die Polizei eine öffentliche Fahndung nach ihm oder Khadri einleitete, würde er sich stellen und die Antibiotika erhalten, die er benötigte. Bis dahin würde er auf der Straße bleiben und versuchen, den Gelben zu finden, was auch immer das sein mochte.
Wohin sollte er sich wenden? Das Gebäude der Vereinten Nationen und der New Yorker Börse waren zu gut bewacht. Das Empire State Building? Das Citigroup Center? Das Time Warner Center? Grand Central Station? Dann erinnerte sich Wells, was ihm Khadri bei ihrem Treffen im Piedmont Park von Atlanta gesagt hatte: »Ist es nicht eine aufregende Stadt? Vor allem der Times Square?« Der Times Square war der einzige Ort, den Khadri je namentlich erwähnt hatte. Es war die bekannteste Adresse auf der ganzen Welt. Außerdem war sie viel leichter zu erreichen als andere Orte. Ja, der Times Square war Ground One.
Selbstverständlich könnte er sich irren. Vielleicht hasste Khadri das Empire State Building aus Gründen, die er nicht kannte. Außerdem konnte sich Wells nicht einmal sicher sein,
ob der den Gelben erkennen würde, wenn er ihn sah. Aber mehr Möglichkeiten hatte er nicht. Er konnte zum Times Square gehen oder sich der Polizei stellen.
»Times Square«, sagte Wells laut. Nur vier Blocks östlich von seinem jetzigen Standort. Entschlossen drehte er sich um und ging in die aufgehende Sonne.
Die Cops in der 146th Street erkannten rasch, dass es sich bei dem Massaker in Apartment 3C um mehr handelte als einen verunglückten Drogendeal. Augenblicklich entsandte das NYPD Antiterroreinheiten, um das Gebäude zu durchsuchen. Das NYPD benachrichtigte auch die New Yorker Zentrale des FBI, um nachzufragen, ob dort etwas über die Männer in diesem Apartment bekannt war. Die FBI-Beamten teilten mit, dass keiner der Männer auf den zentralen Terror-Watchlists aufschien, was aber noch nichts bedeutete. Die Detectives hätten sehr gern die Frau befragt, die man im Gang gefunden hatte. Nur leider befand sie sich zurzeit im Operationssaal. Der Mann, der an den Radiator gekettet war, weigerte sich auszusagen.
Wells’ Pestwarnung wurde an die Kommandozentrale im Hauptquartier der Polizei an der Police Plaza in Manhattan weitergeleitet. Die Polizisten vor Ort wurden gewarnt und eine Spezialeinheit für Biogefahren zu dem Gebäude entsandt, um es auf Kontaminationen zu testen, was beim Eintreffen einer Bioterrorwarnung die Standardvorgehensweise war. Die Beamten im Gebäude gerieten jedoch nicht in Panik, denn falsche Bioterrormeldungen waren in New York an der Tagesordnung.
Die Biogefahreneinheit des NYPD war eine von nur sechs zivilen Einheiten in den USA, die mit einer Prüfeinrichtung für Polymerase-Kettenreaktionen ausgestattet war, die auch
Pest feststellen konnte. Der Test dauerte annähernd eine Stunde.
Um 7:26 Uhr lag das Ergebnis vor. Positiv.
Augenblicklich trat der offizielle Schneeballeffekt ein. Das Apartment 3C wurde zu einer
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