John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
des Fußballspiels.«
»Es tut Ihnen leid? Haben Sie ein Softwareupdate bekommen? «
»Sehr witzig.«
Auf den Papieren waren die üblichen Geheimhaltungsstempel angebracht. Seit Langem entlockte ihr die Begeisterung des CIA für die verschiedenen Geheimhaltungsklassen von Dokumenten nur noch ein zynisches Lächeln: Geheim, Streng geheim; Höchste Geheimhaltung mit einem kirschroten Punkt darüber. Das meiste davon war Unsinn, und den Rest konnte man üblicherweise in der Post oder Times finden, wenn man nur genau hinsah. Es gab aber auch Ausnahmen.
»Tick hat uns dies hier vor einer Stunde geschickt«, sagte Shafer. Tick war das Terrorist Threat Integration Center, das gegründet worden war, um die Daten der CIA, des FBI, der National Security Agency, des Verteidigungsministeriums und jeder anderen Regierungsbehörde zu kombinieren, die Informationen über mögliche Anschläge erhalten könnte. »Der letzte Echelon-Bericht.«
Der Echelon war ein weltweites Netz von Satellitenstationen der USA, Großbritanniens und befreundeter Staaten. Es war während des Kalten Kriegs errichtet worden, um die Sowjets zu bespitzeln, und diente nun dazu, den E-Mail-und Internetverkehr sowie Telefonanrufe und Faxe zu überwachen. Die Namen der einzelnen Echelon-Stationen, wie Sugar Grove, Menwith Hill, Yakima und ein Dutzend andere, waren Spionen und Verschwörungstheoretikern rund um den Globus bekannt. Sie betrachteten das Netz anscheinend als elektronische Gottheit, die jedes jemals geführte Gespräch
aufspürte und mithörte und jede jemals geschickte E-Mail nachverfolgte.
Wenn es doch so wäre, dachte Exley. Seinen ursprünglichen Zweck hatte der Echelon gut erfüllt. In der neuen Welt war dies nicht mehr so einfach. Im Internet kursierten einfach zu viele Informationen. Selbst wenn man alle E-Mails aufspüren könnte, wäre es nicht möglich, alle zu lesen. Die Mitarbeiter der National Security Agency, das heißt, die Computerfreaks in Maryland, die den Echelon betreuten, hatten hochsensible Sprachfilter entwickelt, um Spam und andere E-Mails von geringerem Wert aus ihren Fangergebnissen auszuschließen. Ihnen ist es zu verdanken, dass der überwiegende Teil des vom Echelon aufgenommenen Datenverkehrs verworfen werden kann, ohne dass sich je ein menschlicher Analytiker damit befassen musste. Dennoch wurden täglich Millionen verdächtiger E-Mails in Dutzenden unterschiedlichen Sprachen verschickt, sodass es unmöglich war, alle zu lesen. Dieses Problem wuchs kontinuierlich. Im Wettlauf zwischen Spionen und Spammern siegten die Spammer. Auf diese Weise wurden Medikamente zur Penisverlängerung zu Osama Bin Ladens besten Freuden.
Der Stapel von Dokumenten, den Shafer ihr gegeben hatte, enthielt Ausdrucke von abgefangenen E-Mails aus Islamabad, Karatschi und London mit kryptischen Hinweisen auf ein wichtiges Spiel … auf die Spieler in der Stadt … auf das Team, das sich nach dem Eid – einem islamischen Fest, das vor einigen Monaten begangen worden war – auf einen glorreichen Sieg vorbereitet.
Shafer stieß sie mit dem Finger an. »Die letzte E-Mail ist die wichtigste«, erklärte er, während sein linker Fuß zuckte.
»Ganz ruhig, Ellis«, gab sie zurück. Ihr Vorgesetzter hatte einen brillanten, assoziativen Verstand und konnte auch
noch in den winzigsten Andeutungen intuitiv Beziehungen erkennen. Sie hingegen zog es vor, methodisch zu arbeiten und konstruierte lieber anhand von realen Daten einen Fall, als anhand von unsichtbaren Hinweisen. Das ausschließlich auf Annahmen basierende Nachrichtenwesen hatte das Land schon mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht.
Dennoch wünschte sie, die Agency hätte Shafer im Sommer 2001 zugehört, als er beharrlich erklärte, dass die Al-Quaida etwas Großes plane, aller Voraussicht nach auf amerikanischem Boden. Im Jahr darauf hatte man ihn aus der Nahost-Abteilung der Agency in die Joint Terrorism Task Force – kurz JTTF – überstellt, in der Beamte der CIA, des FBI, des Heimatschutzministeriums und anderer für die Terrorismusbekämpfung zuständiger Regierungsagenturen zusammenarbeiteten. Die JTTF sollte die bürokratischen Hürden zwischen den einzelnen Agenturen niederreißen, damit Langley wusste, was die Mitarbeiter des FBIs taten und umgekehrt. Was manchmal funktionierte und manchmal nicht.
Offiziell war Shafer Assistant Director der JTTF. In Wirklichkeit war er etwas wie ein freier Agent innerhalb der Regierung. Auch wenn ihm nicht viele Analytiker zur
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