John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
dem Mega-Anschlag, der in Kürze folgen sollte, und er durfte sich keinen weiteren Fehler mehr erlauben.
Er hatte das Attentat sorgfältig geplant. Sowohl der Lastwagen als auch der Kleintransporter konnten nicht zurückverfolgt werden, denn sie waren unter falschem Namen gekauft und in bar bezahlt worden. Ebenso hatten Fakhr und Aziz ihr Lager an Ammoniumnitrat immer nur um Einheiten von fünfzig Kilo erweitert, um nicht aufzufallen. Bis vor zwei Wochen hatten sie als Taxifahrer gearbeitet und in einer
Kellerwohnung in Rampart gewohnt, einem miesen Viertel nördlich des Zentrums von Los Angeles. Sie mieteten immer von Monat zu Monat und zahlten stets pünktlich und in bar. Dies war bereits ihr fünftes Apartment, denn Khadri bestand darauf, dass sie jedes Jahr umzogen, um keine nachbarschaftlichen Beziehungen aufkommen zu lassen. Wobei Rampart nicht gerade für seine Freundlichkeit bekannt war.
Jetzt waren Fakhr und Aziz in einer Absteige auf dem Sunset Boulevard untergebracht, die keinen großen Wert auf Papiere legte. Sie bewohnten getrennte Zimmer und gaben vor, einander nicht zu kennen. Aus Sicherheitsgründen hatte Khadri nur wenige Minuten mit ihnen verbracht. Er würde sie heute Nacht noch ein letztes Mal vor dem Anschlag sehen, nur um sicherzugehen, dass sie auch bereit waren. Sobald die Bomben explodierten, würde von ihnen ohnehin nichts mehr übrig bleiben.
»… ZWÖLF … DREIZEHN … VIERZEHN!«
Mit vor Anstrengung zitternden Armen stemmte Daunte Bennett die Langhantel über der Brust hoch. »Einmal noch. Ohne Hilfe«, stieß er keuchend hervor, ehe er die Hantel absenkte und unter dem Gewicht stöhnend nochmals hochstemmte. Fünfzehn Wiederholungen mit einhundertfünfzehn Kilogramm waren kein Scherz.
»Du hast es fast geschafft«, sagte Jarvis, sein Agent. Schließlich streckte Bennett seine Arme bis ans Limit und schnaubte triumphierend, während er die Hantel mit lautem Klirren in ihre Halterung legte.
»Hundertfünfzehn Kilogramm!«
»Die Coaches werden sich darum reißen, dass du bei ihnen unterschreibst.«
Bennett war zwanzig Jahre alt und hatte als Linebacker für
die Crenshaw High Cougars gespielt. Allerdings war er einen Schritt zu langsam und ein paar Zentimeter zu klein, um im College-Football groß herauszukommen. Seit seinem Abschluss vor einem Jahr, hatte er versucht, an Muskelmasse zuzulegen, weil er hoffte, mit zusätzlichen fünfzehn Kilogramm D-Lineman zu werden. Aber er wusste, dass Jarvis nur Unsinn redete. Trotz Proteinshakes und täglichem Krafttraining brachte er nur 109 Kilogramm auf die Waage. Das waren immer noch zehn Kilo zu wenig. Ohne Steroide hatte er keine Chance, und er weigerte sich, eine Nadel in seinen Körper zu stechen, nur um an der UCLA als Third-String-Tackle zu spielen.
Bis er wüsste, was er wirklich wollte, und um die Rechnungen zu bezahlen, hatte Bennett beim Paradise Club in Hollywood einen Job als Türsteher angenommen. Auch wenn er im Football zu klein war für die 1. Division, wirkte er im richtigen Leben ziemlich beängstigend. Sein ausgeglichenes Wesen kam ihm als Türsteher zugute. Ihm gefiel der Job. Die Bezahlung war gut – einhundertfünfzig Dollar für eine Nacht, bar auf die Hand, und hin und wieder noch zwanzig Dollar zusätzlich von irgendeinem betrunkenen weißen Jungen, der hoffte, auf diese Weise die Linie überschreiten zu dürfen. Ihm gefiel es, die Menschen zu beobachten, wenn sie versuchten hineinzukommen, oder wenn sie erkannten, dass sie es nicht schaffen würden. Einige blieben cool, andere reagierten gereizt. So viel Aufregung, nur um fünfundzwanzig Dollar für Musik zu zahlen, die viel zu laut war, als dass man sie noch hören konnte. Die Leute waren schon verrückt.
Allerdings wollte er nicht sein ganzes Leben lang Türsteher bleiben. Er hatte auch schon an die Armee gedacht. Sie würde es ihm ohne Football-Stipendium ermöglichen, auf das College zu gehen. Außerdem vermisste er die Struktur,
die er als aktiver Spieler gewöhnt war. Er brauchte jemanden, der ihn anbrüllte und hart forderte. Der Krieg war kein Spiel, das wusste er – immerhin hatte man einem Spieler der Cougars im Irak das Bein weggeschossen – aber er hatte schon genug Straßenschießereien gesehen, um zu wissen, dass jeder früher oder später starb. Da konnte er auch im Kampf fallen.
Noch ehe Khadri die Tür öffnete, hörte er schon, dass auf dem alten Fernsehapparat von Zimmer 202 CNN lief. Aziz und Fakhr saßen nebeneinander auf der
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