John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
dass seine Beine zitterten. Aus der ersten Reihe sah seine Schwester Becky zu ihm empor und tat so, als würde sie in der Nase bohren, was ihr von ihrer Mutter einen schnellen Stoß mit dem Ellbogen einbrachte. Während er ihr zulächelte, fühlte er, wie sich der Knoten in seinem Magen löste. All diese Menschen waren Freunde und Verwandte. Think Blue.
Fakhr steuerte den Van die Treppe an der nordöstlichen Ecke der Synagoge hinauf, die der Kreuzung am nächsten lag. Der Sicherheitsbeamte mittleren Alters hatte kaum genug Zeit, um sich vor dem Van aufzupflanzen, als er auch schon von diesem mitgerissen und durch das Eingangstor in die Halle vor dem Gebetsraum geschleudert wurde. Fakhr lenkte den Wagen bis direkt an das Haupttor heran. Dass er nicht bis in das Heiligtum selbst vordringen konnte, machte nichts.
Jetzt nur keine Angst, sagte sich Fakhr. Handle schnell. »Allahu akbar«, stieß er laut hervor.
Den Zünder mit seinem dicken schwarzen Kabel hatte er in einer kleinen Plastikbox untergebracht, die er an den Beifahrersitz geklebt hatte, damit er nicht hin und her geschüttelt würde, wenn er die Stiegen hinauffuhr. Nun löste er ihn vom Sitz, sah ihn einen Augenblick lang an und drückte dann auf den Knopf in der Mitte der Box.
Josh hatte schon beinahe das Mikrofon erreicht, als er draußen ein lautes Krachen hörte. Die gesamte Gemeinde wirbelte herum. Drei Männer standen auf, um dem Lärm auf den Grund zu gehen.
Als der Knopf mit leisem Klicken schaltete, lief ein Stromstoß durch das Kabel bis zu den Zündkapseln, die an dem Dynamit im Frachtraum des Vans angebracht waren. Das Dynamit explodierte, und einen Moment später detonierte die ANFO-Bombe.
In der Synagoge ging die Welt unter.
Die Explosion glich in keiner Weise den Filmversionen einer Autobombe. Keine rauchende Feuerkugel, die die Scheiben zerriss, aber die übrige Karosserie unbeschädigt ließ. Derartige Explosionen erreicht man mit langsamen Sprengstoffen wie Schwarzpulver, die in einer kleinen, protzigen Explosion verbrannten. Hochexplosive Stoffe wie Dynamit brannten nicht; sie detonierten, indem sie augenblicklich vom festen in den gasförmigen Zustand übergingen, und dabei eine gewaltige Hitze entwickelten.
Innerhalb eines Sekundenbruchteils hörten Fakhr und der Van zu existieren auf, während sich die von dem Gas hervorgerufene Explosion ausbreitete und eine gigantische Druckwelle erzeugte, die die Luft mit einer Geschwindigkeit von drei Kilometern pro Sekunde vorwärtstrieb. Im Grunde erzeugte die Bombe einen Supertornado in der Synagoge, der etwa fünfzigmal so stark war wie jeder Tornado in der Natur.
Die Druckwelle und der von ihr verursachte Splitterhagel durchbrachen die Rückwand der Synagoge und zerrissen alle Besucher, die sich im hinteren Bereich befanden. Andere verbrannten im Feuerball der Explosion, der mehrere Tausend Grad erreichte. Niemand konnte wegrennen, sich verbergen, oder sich ducken. Das Überleben war eine Frage von Glück und Distanz; Joshs Eltern in der ersten Reihe hatten bessere Chancen als sein Cousin Jake sechs Reihen dahinter.
Sein Onkel Ronnie, der an der Wand stand, hatte gar keine Chance.
Dann wechselte die Druckwelle die Richtung und füllte das Vakuum, das an der Stelle des nun nicht mehr vorhandenen Vans entstanden war. Die Explosion hatte die Decke von den Wänden hoch gesprengt. Als sie herabfiel, konnten die nicht mehr korrekt ausgerichteten Wände sie nicht mehr halten, sodass die Decke von der Rückseite der Synagoge fortschreitend bis zur Vorderwand einstürzte. Tonnen von Beton, Holz und Stahl zermalmten die Überlebenden der ersten Explosion.
Für Josh Goldsmith war der Einsturz der Decke eine wahre Erlösung. Da er das Pech gehabt hatte, während der Explosion zu stehen, hatte er den Splitterhagel in vollem Umfang abbekommen. Die Metallsplitter des Vans hatten sein Gesicht in einen blutigen Brei verwandelt. Ein größerer Teil hatte ihm den Bauch aufgeschlitzt und beinahe die Leber durchtrennt. Glücklicherweise dauerten seine Qualen nur wenige Sekunden, bis eine Betonplatte der Decke seinen Schädel zerschmetterte.
Auf dem Hollywood Boulevard verlief diese Freitagnacht wie jede andere. Kabrios und modifizierte Picku-ps fuhren langsam und mit dröhnenden Bässen den Boulevard auf und ab. Da der Abend ungewöhnlich warm war für April, flirteten Mädchen mit kurzen knappen Miniröcken mit Jungen in Muskelshirts. Ein roter Lamborghini Diablo wetteiferte mit einem
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