John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
ungewöhnliche Meldung. Wie es aussieht, läuft dieser Teufel mit zweihundertfünfzig Knoten.«
»Das ist unmöglich.«
»Ich weiß. Aber es ist so.«
Ein Schkwal? Das wäre doch ein russischer Torpedo, außerdem funktionierte er nicht.
»Sind Sie sicher?«
»Absolut, Sir. Die Systeme laufen einwandfrei. Ein Fehler ist ausgeschlossen.«
»Ist er auf uns gerichtet?«
»Das ist noch unklar. Er könnte einen Zweistufenantrieb haben.« In anderen Worten würde der Torpedo, sobald er in die Nähe der Decatur gekommen war, zu einem konventionellen Torpedo mit akustischer Zielverfolgung werden.
»Okay. Angenommen, er ist auf uns gerichtet, wie viele Minuten sind es bis zum Einschlag?«
»Drei.«
Drei Minuten. »Danke, Chief.« Williams wandte sich an Umsle. »Rufen Sie den ausführenden Offizier an« – den Stellvertreter des Kommandierenden Offiziers der Decatur, der sich derzeit auf der Brücke befand – »und sagen Sie ihm, dass er die Schadenteams zusammenrufen soll für einen Einschlag in drei Minuten. Wir werden diesem Ding nicht davonlaufen können.«
Die nächsten Minuten schienen in einem einzigen Atemzug zu vergehen. Die Torpedo-Rakete, oder wie man sie auch nennen sollte, kam beständig näher. Auch die Tatsache, dass sie blind zu laufen schien und nicht ihren Kurs änderte, um die Decatur zu verfolgen, beruhigte Williams nicht. Sobald sie nahe genug war, würde sie sicher auf ein zweites Steuerungssystem umschalten. Als der Torpedo nur noch drei Kilometer von der Decatur entfernt war, tauchte er kurz auf, korrigierte seinen Kurs und steuerte nun auf den Zerstörer zu.
Williams wusste nicht, dass der Typhoon mit einem GPS-System und einem Satelliten-Transceiver ausgerüstet war, der ihn mit dem Satelliten Bei über ihm verband und es ihm ermöglichte, die Decatur mühelos aufzuspüren. Das Schleppsonar der Decatur, das ein geräuschvolles »Kielwasser« erzeugte, um einen konventionellen Torpedo mit akustischer Zielverfolgung zu verwirren, hatte keine Chance, den Typhoon zu stoppen.
Sobald der Torpedo seinen Kurs korrigiert hatte, akzeptierte Williams das Unausweichliche. Jetzt galt es, sich darauf zu konzentrieren, die Männer zu retten. »Turbinenraum evakuieren«, befahl er Umsle. Die Maschinenräume befanden sich in der Nähe der Wasserlinie und waren mit schwerem Gerät gefüllt – somit zählten sie zu den verwundbarsten Stellen eines Schiffes. »Und fordern Sie alle anderen auf, sich für den Einschlag anzuschnallen.«
Nur eine Sekunde lang gestattete sich Williams zu beten. O Gott, bitte mach, dass es ein Blindgänger ist.
Aber dieser Torpedo war kein Blindgänger.
Die Explosion riss knapp oberhalb der Wasserlinie ein Loch von vier Metern Durchmesser in den aus halbzolldicken Stahlplatten bestehenden Rumpf des Zerstörers. Einige Augenblicke lang herrschte Chaos. Das achttausend Tonnen schwere Kriegsschiff bebte durch die Wucht des Einschlags. Dann begann das Schiff zu krängen. Wasser drang tosend durch das Loch in den Panzerplatten und flutete den Turbinenraum. Elf Seeleute starben bei der Explosion, weitere sechs wurden ins Meer geschwemmt, ihre Leichen nie geborgen. Treibstoff ergoss sich aus einer Leitung, die durch die Explosion aufgerissen war, und entzündete sich in zwei kleinen Feuern.
Williams war stolz darauf, wie seine Mannschaft und das Schiff auf die Explosion reagierten. Die jahrelangen Katastrophenübungen hatten sich bezahlt gemacht. Innerhalb von drei Minuten hatten die Feuerwehrteams der Decatur die beiden Feuer gelöscht, die die größte Bedrohung für die Unversehrtheit des Schiffes darstellten. Innerhalb von sieben Minuten waren die Schotte geschlossen und Williams hatte einen ersten Schadensbericht erhalten. Fünf Minuten später hatte man die Matrosen mit den schwersten Verletzungen
geborgen und zur medizinischen Erstversorgung in die Krankenstation gebracht, wo sie auf den Hubschraubertransport auf die Reagan warteten.
In diesem Augenblick erlaubte sich Williams erstmals, darüber nachzudenken, was die Chinesen getan hatten. Das U-Boot war verschwunden. Die Explosion hatte die Sonaranlage der Decatur beschädigt, und selbst wenn es ihnen möglich gewesen wäre, das U-Boot aufzuspüren, war Williams nicht in der Lage, die Verfolgung aufzunehmen. Nicht mit diesem angeschlagenen Schiff, nicht angesichts eines geräuschlosen U-Boots und nicht angesichts eines mysteriösen Supertorpedos. Die Navy jedoch hatte bereits mit der Suche nach dem U-Boot begonnen
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