John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
versucht, den USA bei Flugzeugträgern Konkurrenz zu machen.
U-Boote waren wesentlich kostengünstiger. Hier handelte es sich um Milliarden Dollar, anstelle von mehreren Hundert Milliarden Dollar. Außerdem konnte schon ein einziges U-Boot einer gegnerischen Flotte schwere Schäden zufügen. Im Zweiten Weltkrieg hatte ein einzelnes deutsches U-Boot siebenundvierzig Schiffe in weniger als zwei Jahren versenkt. Selbstverständlich würde die Xian nicht siebenundvierzig
amerikanische Schiffe versenken, aber wenn sie auch nur eines beschädigte, könnte das Kräftegleichgewicht im westlichen Pazifik wiederhergestellt und die Amerikaner gezwungen werden, sich von der chinesischen Küste zurückzuziehen.
Es würde nicht leicht sein, ein amerikanisches Schiff auszuschalten. Seit der Schlacht um Midway im Zweiten Weltkrieg, als die USA die japanische Flotte dezimierten und im Pazifik auf den Siegespfad zurückkehrten, hatte niemand die amerikanische Navy ernsthaft herausgefordert. Der Zusammenbruch der Sowjetunion hatte nur ihre Führung verlängert. Ihre Flugzeugträger, Zerstörer, Kreuzer und atomgetriebenen Jagd-U-Boote waren die besten der Welt.
Aber wenn es ein U-Boot gab, das die amerikanische Verteidigungslinie erfolgreich durchbrechen konnte, dann war es die Xian. Dieses technisch fortschrittlichste Diesel-Elektro-U-Boot, das je gebaut worden war – sowohl in China als auch jedem anderen Land der Welt – war erst letzten Herbst zu Wasser gelassen worden. Lärmdämpfende reflexionsfreie Platten überzogen den Rumpf. Die Propeller mit den sieben schrägen Blättern ermöglichten es ihm, nahezu geräuschlos durch das Wasser zu gleiten. Und weil es mit einer neuen Generation von Elektrobatterien ausgestattet war, konnte es wochenlang unter Wasser bleiben.
Zudem hatten die Ingenieure der Volksbefreiungsarmee die zweite Kraftquelle der Xian bedeutend verbessert. Neben den Batterien verfügte das U-Boot über ein »luftunabhängiges Antriebssystem« auf Basis von Brennstoffzellen. Wenn die Batterien und Brennstoffzellen gleichzeitig liefen, konnten sie die Xian für kurze Zeit auf dreißig Knoten beschleunigen, das war beinahe so schnell wie amerikanische Atom-U-Boote.
Die Chinesen hatten darüber hinaus fast zu den Elektronik- und Sonarsystemen aufgeschlossen, die die amerikanische Navy verwendete. Die Computer der Xian arbeiteten mit hoch entwickelter Geräuschfilter- und Geräuscherkennungssoftware, wodurch es die Sonaroperatoren der Xian erstmals mit den amerikanischen U-Booten aufnehmen konnten. Über die Satellitenverbindung konnte die Xian zudem regelmäßig die aktuelle Position von Schiffen erfahren, die weit außerhalb der Reichweite ihres eigenen Sonarsystems lagen. Diese Kombination bedeutete, dass die Xian auch jenen U-Booten und Fregatten ausweichen konnte, die den äußeren Kordon des amerikanischen Flottenverbandes bildeten, und auf Torpedoreichweite zu den großen Fischen gelangen konnte, den Zerstörern, Kreuzern und Flugzeugträgern, die das Herzstück der amerikanischen Flotte darstellten.
Und in diesem Punkt wartete die Xian mit einer weiteren unangenehmen Überraschung für die amerikanische Navy auf.
Im Inneren der Xian las Tong den Befehl ein letztes Mal durch, ehe er ihn in die Tasche steckte. »Boje einziehen«, sagte er leise zu seinem Kommunikationsoffizier. Dann wandte er sich an seinen Einsatzoffizier: »Irgendwelche Änderungen in der Richtung des Zielobjekts?«
»Nein, Kapitän. Immer noch auf eins-acht bei zwanzig Knoten« – direkt nach Süden, auf die Xian zu, die nach Norden steuerte – »bei fünfzehn Knoten. Entfernung jetzt siebzig Kilometer.«
»Bringen Sie uns auf sechzig Meter« – das war in der Mitte der Thermokline.
»Ja, Kapitän.« Der Einsatzoffizier berührte den Touchscreen
vor sich mehrmals, und schon begann die Xian aufzusteigen, aber so anmutig, dass Tong das Steigen kaum fühlte.
»Setzen Sie uns auf Kampfstatus.«
»Ja, Kapitän.« Der Offizier berührte den Schirm noch dreimal. Im gesamten U-Boot wechselten die LCD-Tafeln von beständigem Grün auf blinkendes Gelb als Warnung an die Mannschaft der Xian, dass ein Angriff unmittelbar bevorstehen könnte und dass Stille – die in einem U-Boot immer von Bedeutung war – nun noch wichtiger war als je zuvor.
»Und bereiten Sie die Typhoons für den Abschuss vor.«
Tong fühlte die Überraschung im Raum, als er die Worte aussprach. Der Einsatzoffizier hielt einen Augenblick inne, nur eine Sekunde
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