John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
wenn Sie nichts für mich haben?«
Cao schwieg. »Ich nicht weiß. Ich dachte, vielleicht …«, brachte er schließlich hervor.
Wells schluckte seinen Ärger hinunter. Er konnte es sich nicht leisten, Energie zu verschwenden. Während er eine Hand auf die verletzten Rippen legte, versuchte er, die Sache
durchzudenken. »Der Ständige Ausschuss will Li stoppen. Oder zumindest einige Mitglieder davon.«
»Ja. Minister Zhang ihn hasst. Aber er Angst.«
»Ich verstehe.« Cao hatte zwar Sterne auf seinem Kragen, aber er war kein Anführer, so viel wusste Wells mittlerweile. Er war der geborene Untergebene. Klug und hart. Aber ohne Fantasie. »Wir benötigen einen Beweis, dass er dies seit Langem geplant hat. Etwas, das sie sehen können.«
»Beweis.«
»Was hat er vor dem Ausschuss verborgen gehalten?«
»Hat ihnen nie erzählt von Wen.«
Wells fasste kurz Hoffnung, aber diese schwand sogleich wieder. Die Agency würde Zeit benötigen, um Wen zu brechen und nachzuweisen, dass sein Überlaufen nur ein Täuschungsmanöver war, und Zeit hatten weder die Agency, noch Cao und er. »Was noch?«
Im Jeep herrschte Stille. Wells wartete. Mittlerweile fragte er sich bereits, ob Cao überhaupt eine Fluchtroute geplant hatte, oder ob sie den verzweifelten Versuch unternehmen würden, in die Botschaft einzudringen.
»Was noch. Li hatte noch andere Operation. Streng geheim. Begann letztes Jahr. Ich habe vorbereitet Geld.«
»Sie haben sie finanziert.«
»Ja. Finanziert. Er sagte, USA werden sein wütend, wenn wissen. War in Afghanistan.«
Plötzlich wusste Wells alles. »Sie haben die Taliban unterstützt.«
»Er mir nicht hat gesagt, aber ich es glaube. Aber keine chinesischen Soldaten.«
»Nein. Eine russische Spezialeinheit.« Wells fragte sich, ob Pierre Kowalski die ganze Zeit über gewusst hatte, woher sein Geld stammte.
»Das Konto war bei der Banco Delta Asia«, sagte Wells. »In Macao. Richtig?«
Cao verbarg nicht, dass er überrascht war. »Woher Sie das wissen?«
»Hat er Ihnen gesagt, wofür das Geld war, Cao?«
»Für Iran. Das war alles, er gesagt.«
Aber natürlich. Wells erkannte die Logik, die diesem Plan zugrunde lag. Die Iraner fürchteten, dass China sich aus dem Tauschhandel Atomwaffen gegen Öl zurückziehen könnte. Indem Li die Taliban unterstützte, hatte er den Iran überzeugt, wie ernst er es mit seinem Widerstand gegen die USA meinte.
»Cao, diese Kontoauszüge beweisen, dass Li schon seit letztem Jahr den Krieg gegen die USA vorbereitet. Und dass er den Ständigen Ausschuss nicht darüber informiert hat. Wenn Sie an diese Belege herankommen, können wir ihn aufhalten.«
Sofern wir lang genug leben, um sie aus China hinauszubringen, dachte Wells, aber er sagte es nicht. Und sofern er recht behielt, und die Belege bewiesen, dass das Geld an Kowalski geflossen war. Und sofern das Weiße Haus sie an Peking und Zhang zurückspielen konnte. Und sofern Zhang sie nützen konnte, um die Kontrolle über den Ausschuss wieder an sich zu reißen.
Aber zunächst benötigten sie die Belege und mussten China verlassen.
»Kein Krieg?«, fragte Cao.
»Kein Krieg.« Möglicherweise.
»Dann ich sie hole.«
Während Cao den Jeep wieder auf die Straße lenkte, sah er aus dem Augenwinkel zu Wells hinüber. »Wie Sie heißen? Echter Name?«
Verrückt, aber wahr. Cao hatte ihm das Leben gerettet und dabei drei seiner Landsleute getötet und all dies, ohne seinen Namen zu kennen. Wells fuhr sich mit der Hand über den Mund und wischte eine beißende Schicht aus getrocknetem Blut und Erbrochenem weg. »John Wells.«
»Time-Square-Wells?«
»Ja, Time-Square-Wells.« Wells fragte sich, ob Cao bereit war, nach Florida zu übersiedeln und dort im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms zu leben. Aber was auch immer auf ihn zukam, eines stand fest: dies war sein letzter Tag in China. »Aber wenn wir hier herauskommen, dürfen Sie mich Tiananmen-Platz-Wells nennen. Wenn wir nach Disney World fahren.«
»Disney World? Ich nicht verstehe.« Als der Jeep in ein Schlagloch fuhr, stöhnte Wells leise auf.
»Ich auch nicht, Cao.«
Fünfzehn Minuten später querte Cao hupend die viel befahrene vierspurige Straße und bog in eine mit Holzkisten übersäte Gasse ein. Eine Wolke von Fliegen schwebte über einem Haufen verrottenden Gemüses. Üblicherweise hätte er den Müll gar nicht bemerkt, aber die Schläge hatten ihn geschwächt und bei ihm ein flaues Gefühl im Magen hinterlassen. Sein grünes T-Shirt war
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