John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
die beste Streitmacht der Welt. Auch wenn die Marines mit dieser Bewertung vielleicht nicht einverstanden waren.
Was die Befehlshaber anbelangte, war dies eine andere Geschichte. Sie – oder zumindest ihre Jungs – sollten einmal etwas Zeit hier verbringen, anstatt bei der zweitägigen Führung, die die Armee für sie veranstaltete, damit sie bei Talkshows erzählen konnten, dass sie an der Front gewesen seien. Sie sollten einmal mehrere Monate lang Mörsern und Bomben am Straßenrand ausweichen und am eigenen Leib
erfahren, wie sich eine Militärbasis nach einer Weile in ein Gefängnis verwandelte.
Genug, dachte Well. Er wollte nicht mehr darüber nachdenken. Immerhin hatte er sich freiwillig gemeldet, um hierher zurückzukommen. Auf ihn wartete ein Job. »Hoo-ah!«, sagte er sich. Dann trank er eine halbe Flasche Wasser in einem Zug aus, um die raue Kehle zu beruhigen, und goss sich den Rest über den Kopf. Zufrieden lächelnd, fühlte er, wie die laue Flüssigkeit über sein Gesicht lief. Mit einem Handtuch aus dem Rucksack zu seinen Füßen trocknete er sich ab.
»Ich liebe diese Katzenwäsche«, sagte Lieutenant Gower mit schiefem Lächeln. Er war ein stämmiger Farbiger von etwa sechsundzwanzig Jahren. Wells mochte ihn, vor allem weil ihn Gower trotz seiner offenkundigen Neugier nicht gefragt hatte, wer er war. Zwanzig Stunden lang hatten sie über Sport geplaudert, Schach gespielt – Gower hatte ihn gewandt geschlagen – und ansonsten die Frage beiseitegelassen, auf welche Art und Weise Wells seinen Weg ausgerechnet in dieses Flugzeug gefunden hatte.
»Sie sagen es«, erwiderte Wells. Dann entschloss er sich, Gower ein wenig auf die Schippe zu nehmen. »Das erinnert mich an’Nam.«
Gower riss die Augen auf. »Sie haben in Vietnam gedient? Wirklich?«
»Tet, Khe Sanh, überall. Zu Hause habe ich eine Wand voll von Abzeichen. Ja, das war ein Krieg.«
»Im Ernst?« Gower sah Wells ungläubig an. »Sie treiben Scherze mit mir.«
»Ja, das tue ich. Sehe ich denn wirklich so alt aus? Dann wäre ich doch schon sechzig.«
»Derzeit sehen wir alle aus wie sechzig. Aber ich sage Ihnen
was. Sie müssen schon gehörige Beziehungen haben. Nicht jeder bekommt innerhalb von zwei Stunden einen Platz in einer voll beladenen C-17.«
»Ich dachte, das wäre die Chartermaschine nach Bangkok.«
»Verstanden, Sir«, sagte Gower. »Sie haben wohl vermutet, dass ich einen Versuch wagen würde.«
Die Kabinenlautsprecher schalteten sich mit einem Klicken ein. »Aus dem Cockpit. Wir wissen, dass es euch hier oben gefällt, aber es ist meine Pflicht, euch zu informieren, dass wir in etwa dreißig Minuten in Bagram landen werden.«
Das unvermeidliche »Hoo-ah!« klang durch die Kabine.
»All jene unter euch, die das großartige Afghanistan schon einmal besucht haben, wissen, dass wir euch an diesem Punkt eurer Reise auffordern, euch fertig zu machen. Das ist ein Befehl.«
In der gesamten Kabine zogen die Soldaten ihre Panzerwesten und Helme an. Wells griff nach seiner kugelsicheren Weste, der standardmäßigen Schutzbekleidung der Polizei, die wesentlich dünner war als die Panzerwesten, die die anderen trugen.
»Ist das alles, was man Ihnen gegeben hat?«, erkundigte sich Gower, als er die Weste sah. »Die hält kaum eine Neuner ab.« Damit meinte er eine 9-Millimeter-Patrone, die aus einer Pistole abgefeuert wurde. Die Platten in den Panzerwesten der Armee waren dazu bestimmt, Hochgeschwindigkeitsgeschossen vom Kaliber 5,56 standzuhalten, wie sie von einer AK-47 abgefeuert wurden. Diese Kugeln würden Wells Weste zerfetzen.
»Ich reise gern mit leichtem Gepäck«, gab Wells zurück, während er den Helm aufsetzte.
Wieder schaltete sich die Sprechanlage ein. »Zu eurer Sicherheit wird dies eine Rotlichtlandung. Wir wissen, dass ihr Jungs von der Armee im Dunklen gern Freundschaften schließt, aber behaltet eure Hände bitte bei euch.«
Die Deckenbeleuchtung erlosch flackernd und wurde vom gespenstischen Glühen roter Lichter an den Kabinenwänden ersetzt. »Wir werden kampfmäßig aufsetzen, also schnallt euch gut fest und genießt die Landung.«
In der gesamten Kabine klinkten sich die Männer an den Gurten fest, die an den Wänden der C-17 montiert waren. »Wir hoffen, ihr habt die Reise genossen«, sagte der Pilot. »Danke, dass ihr mit diesem Globemaster III geflogen seid. Wir wissen, dass ihr unter verschiedenen Fluglinien wählen könnt, und schätzen es sehr … Ach nein, das könnt ihr ja gar nicht.
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