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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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Esel auf einem frisierten Zwölfgangfahrrad beinahe hatte auffliegen lassen.
    »Lenny. Du hast mich um ein Haar in große Schwierigkeiten gebracht.«
    Statt einer Antwort ging der Hund einfach in die Hocke, um sich zu erleichtern. Vielleicht war aber auch das seine
Antwort, dachte der Mann in der grünen Windjacke. Er ließ Lenny so viel Zeit, wie er benötigte, und wartete dann noch, bis er den Radfahrer nicht mehr sehen konnte und sein Herz nicht mehr in der Brust zu galoppieren schien. Als er sicher war, dass er allein war, kehrte er zu dem Ast zurück – und zu den Anweisungen in seinem Inneren.

9
    Wells spazierte einen weißen Sandstrand entlang und tauchte dabei die Füße immer wieder in die Wellen, die an den Strand schlugen. Die Farbe des Wassers war ein unbeschreiblich klares, strahlendes Blau, sodass es fast wie eine Neonfarbe wirkte. Exley lag unter einem Schirm und trug einen dezenten Bikini, der die Farbe wechselte, während er zu ihr hinübersah. Jetzt war er rot, jetzt gelb, jetzt grün mit Tarnstreifen. Das ist falsch, sagte er ihr. Krieg ist nicht Sex. Aber sie hörte nicht.
    Als er wieder auf den Ozean hinausblickte, bedeckte das Wasser nicht mehr den Sandstrand, sondern ein Ufer aus fluoreszierenden Lichtern. Aus, sagte er zu Exley. Schalt sie aus. Sie ignorierte ihn. Und als er zu ihr hinüberschaute, war sie fort. Er versuchte, zu ihr zu laufen, aber die Wellen zogen ihn vom Strand fort, fort von ihr …
    »Mr. Brown.«
    Als ihn eine Hand an der Schulter schüttelte, erwachte Wells benommen. Er befand sich nicht an einem Strand, sondern in einer C-17. Die Kabine des Jets stank nach Schweiß und ungewaschenen Körpern. Seit zwanzig Stunden waren sie nun schon in der Luft.
    »Alles in Ordnung, Sir? Sie sehen ein wenig grün aus.«
    »Alles in Ordnung, Lieutenant.« Wells rollte den Kopf, wobei er vergeblich versuchte, das Narbengewebe auf seinem
Rücken zu lockern. Statt der Standardsitze war das Militärflugzeug mit Kunststoffbänken ausgestattet, die man einfach an die Wände geschraubt hatte. Offenbar waren sie dazu entworfen worden, die Wirbelsäule zu quälen.
    »Wie lange war ich weg, Lieutenant?«
    »Etwa fünf Stunden«, sagte der Lieutenant. »Wir landen in fünfundvierzig Minuten. Der Pilot hat eben die Lichter eingeschaltet.«
    Die Lichter. Das war die Erklärung für seinen Traum, dachte Wells. Rund um ihn gaben sich müde Männer Klapse, um aufzuwachen, gurgelten mit Mundwasser, streckten sich oder taten sonst etwas, um die Langeweile eines Fluges von achtzehntausend Kilometern abzuschütteln. Wells hatte sich für seinen Transport auf die Bagram Air Base in Afghanistan dem 504. Fallschirminfanterieregiment der 82. Luftlandedivision angeschlossen, die zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren nach Übersee geschickt worden war. Machosprüche füllten die Kabine. Die Soldaten stärkten ihre Psyche für die aufreibenden Tage, die vor ihnen lagen:
    »Bereit zur Landung?«
    »Verdammt nein, Sergeant. Ich würde gern noch einen weiteren Tag in dieser Sardinenbüchse verbringen.«
    »Ramirez, ist das meine Zahnbürste?«
    »Nein, du Dummkopf. Sieh in deinem Hintern nach – vielleicht steckt sie dort.«
    »Ob es sich wohl so anfühlt, Astronaut zu sein? Als Kind wollte ich immer Astronaut werden.«
    »Du kannst nicht einmal den Uranus finden, Robert – verstanden? Uranus, wie …«
    »Ich hab schon verstanden.«
    »He, wer hat einen fahren gelassen?«

    »Wer nicht?«
    Dann erscholl im hinteren Bereich der Kabine der für alle Zwecke einsetzbare Armeeruf: »Hoo-ah!«
    »Hoo-ah!«
    »Diese Taliban werden gar nicht wissen, wie ihnen geschieht! Sie werden untergehen wie Chinatown!«
    »Hoo-ah!«
    »Wie deine Schwester in der Nacht des Abschlussballs!«
    »Hoo-ah!«
    »Wir schicken Osama direkt in die Hölle!«
    »Hoo-ah! Hoo-ah!« Die zunächst noch durcheinanderlaufenden Rufe verschmolzen zu einem gewaltigen »Hoo-ah!«, das die Kabine erbeben ließ.
    Hoo-ah war eine Kurzform für »heard, understood, acknowledged« – »verstanden«, »ja, Sir« und »wird erledigt« in einem. Es besagte nicht nur, dass man einen Befehl ausführte, sondern dass man stolz war, ihn auszuführen. Im Zivilleben gab es nichts, das sich mit Hoo-ah vergleichen ließ, kein Wort und keine Geisteshaltung. Wells konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Für ihn war es ein Privileg, bei diesen Jungs zu sein. Nach all den Kriegsjahren in der Wüste und den Bergen war die Armee der Vereinigten Staaten immer noch

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