John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
Vergesst es einfach.«
»Scherzkeks«, sagte Gower.
»Er würde wohl gern eine F-16 fliegen.« Wells zog den Gurt an seinen Schultern fest. Die C-17 machte eine enge Kurve und kippte vorwärts in den Sinkflug.
»Hoffentlich zieht er nicht die ganze Show von JFK Jr. für uns ab«, meinte Gower lachend. Doch ungeachtet seines Lachens bemerkte Wells die Anspannung in der Stimme des Lieutenants.
»Sie fliegen wohl nicht gern, Lieutenant?«
»Ich weiß, was Sie jetzt denken. Warum ich mich dann für die Air Force gemeldet habe? Meine Frau sagt dasselbe.«
»Und Sie sagen ihr, dass sich ein Mann seinen Ängsten stellen muss.«
»Richtig. Wovor fürchten Sie sich denn, Mr. Brown?«
Diese Frage ließ Wells erstarren. »Ich bin nicht sicher.«
»Es muss doch irgendetwas geben. Jeder fürchtet sich vor irgendetwas.«
»Vielleicht davor, zu versagen.«
»Gute Antwort. Damit verrät man gar nichts.« Gower klang enttäuscht.
Aber Wells wusste, dass es noch eine andere Antwort gab, eine, die er Gower nie verraten würde: Vor mir. Ich fürchte mich vor mir.
Popp! Popp! Chaff flares schossen von den kurzen Tragflächen der C-17 davon. Dann schwenkte der Jet in eine Sturzspirale. Gower presste seine fest ineinander verschränkten Fäuste in den Schoß. Plötzlich kippte das Flugzeug wieder in die Horizontale und berührte Sekunden später den Boden, sprang noch einmal hoch, berührte erneut die Erde und schoss rumpelnd über die dreitausend Meter lange Rollbahn bei dem Versuch, langsamer zu werden.
Dann war es vorüber. Die Bremsen und der Gegenschub zeigten Wirkung und die C-17 hielt in einer langen, geschmeidigen Bewegung an. »Willkommen auf der Bagram Air Force Base, fünfzig Kilometer nördlich der wundervollen Stadt Kabul in Afghanistan. Es ist zwei Uhr Ortszeit«, verkündete der Pilot. Diesmal gab es keine Jubelrufe. Die abrupte Landung hatte die Soldaten an die Gefahr erinnert, die ihnen bevorstand, dachte Wells, der die angespannten Gesichter rund um sich betrachtete. Viele der Männer in dieser Kabine hatten noch nie einen Kampf erlebt. Ihre Kommandanten würden ihnen beistehen müssen, ihr Adrenalin zu lenken, sodass es sich von Angst in Wachsamkeit verwandelte, die ihnen möglicherweise das Leben rettete.
Das Pentagon betrachtete das Training der Soldaten gern als Wissenschaft. In Wirklichkeit war es jedoch Alchimie, ein nicht quantifizierbarer Prozess. Einige dieser Männer würden unter Druck erstarren, falsche Entscheidungen treffen
und dadurch sich und ihre Kameraden in den Tod schicken. Andere würden in der Hitze des Gefechts zur Ruhe kommen, den Feind durch Nachdenken überlisten und sich aus scheinbar unentrinnbaren Situationen retten. Und es gab keinen Test, durch den man die einen von den anderen unterscheiden könnte. Das entschied sich erst, wenn scharf geladen wurde.
Doch auch die talentiertesten Soldaten mit dem besten Training und der besten Ausrüstung überlebten nicht immer. Manchmal gab es keine richtige Entscheidung. Wells hatte Ted Beck nie in Aktion erlebt, aber er kannte seine Fähigkeiten. Hätte ich überlebt, wenn ich auf dem Boot gewesen wäre? Hätte ich etwas bemerkt, das er übersehen hatte? Auch wenn es Wells nicht mit Sicherheit sagen konnte, standen die Chancen nicht gut für ihn.
»Haben Sie je an einem Gefecht teilgenommen?«, fragte er Gower.
»Noch nicht, Sir«, antwortete Gower. »Gibt es etwas, das ich wissen sollte?«
»Bleiben Sie einfach ruhig. Sie werden sich gut schlagen, das sehe ich.« Wells hoffte, dass er recht behielt.
Flackernd leuchteten die Deckenlichter auf und ersetzten das gespenstische rote Glühen der Landelichter. Während Wells in dem grellen weißen Licht blinzelte, erinnerte er sich wieder an seinen Traum.
»Viel Glück, Lieutenant«, sagte er, wobei er Gower die Hand entgegenstreckte.
»Auch Ihnen viel Glück, Mr. Brown. Und lassen Sie es mich wissen, wenn Ihnen die 504. zu Diensten sein kann.«
Wells blickte auf das tragbare Schachspiel in Gowers Rucksack. »Beim nächsten Mal sollten Sie mir einige Ihrer Eröffnungen verraten, damit ich Ihnen auch einmal ein gutes
Spiel bieten kann.« Als er sich von Gower abwandte, empfand er seltsamerweise etwas wie Enttäuschung. Ein weiterer guter Soldat, den er nie wiedersehen würde.
Doch als er auf den Asphalt hinunterstieg, erwartete ihn eine angenehme Überraschung. Glen Holmes stand neben der C-17. Er war etwas dicker als im Jahr 2001, als Wells ihn getroffen hatte, aber ansonsten
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