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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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Absprungzone. Die Männer in der Kabine beugten sich vor, bereit, ihren Gurt zu lösen und sich abzuseilen. Seite an Seite stiegen die Black Hawks hinunter – dreißig Meter, fünfundzwanzig Meter, zwanzig Meter …
    Wusch! Eine RPG sauste zwischen den Hubschraubern hindurch und explodierte an einem Berghang. Auf dem Plateau darunter feuerten die Kämpfer aus ihren Kalaschnikows auf die Black Hawks. Die Kugeln prallten klirrend an den Kevlar-Matten ab, mit denen der Boden der Hubschrauber geschützt war. Die Schützen der Black Hawks setzten sich an ihre Maschinengewehre und schossen mit kontrollierten Salven zurück. Die Messinghülsen der abgefeuerten Maschinengewehrpatronen spritzten aus den Gewehren und verschwanden in der Nacht. Der zehn Tonnen schwere
Hubschrauber sank schlingernd weiter ab, bis er etwa fünfzehn Meter über dem Boden anhielt. Der Erste Schütze hob die linke Hand als Zeichen für den Absprung.
    »Jetzt!«, brüllte Hughley über den Lärm der Turbinen hinweg. »Jetzt!«

12
    Peking, China
    Das Bankett hatte schon vor Stunden begonnen. Dennoch blieben die Tische fleckenlos, das Leinen gepresst und die Champagnerkübel gut gekühlt. Kellner in Smoking tauschten die Teller aus und füllten mit perfekter Effizienz die Gläser.
    Von außen wirkte der Festsaal so eintönig wie jedes andere Gebäude in Zhongnanhai, dem von einer Mauer umgebenen Gebäudekomplex in Peking, in dem die Mitglieder der chinesischen Regierung lebten und arbeiteten. Im Inneren jedoch schien der Festsaal – der offiziell Huairentang hieß, der von Mitgefühl durchdrungene Palast – direkt aus Versailles hierher transportiert worden zu sein. Die mit vierundzwanzigkarätigem Gold ausgekleideten Wände waren mit Spiegeln geschmückt. Orchideen und Lilien strömten aus einer unbezahlbaren roten Keramikvase aus dem vierzehnten Jahrhundert. Hinter einem Wandschirm spielte ein Pianist auf einem Steinway-Flügel Chopin. Von der Decke hingen überdimensionale Kristalllüster, die die harten Gesichter der Männer, die um den Tisch saßen, in weiches Licht tauchten.
    Auch das Essen war großartig: feuchte Klöße aus Süßkartoffeln und Ingwer; frisch gedünsteter Hummer, dessen
Fleisch mit einer pikant-süßen Chilisauce mariniert war; die zartesten Stücke vom Lamm, in einer leicht bitteren Sojasoße gebraten; Haifischflossensuppe, eine chinesische Delikatesse, mit üppigen, gut zu beißenden Flossen.
    Das Benehmen der neun Männer, die rund um den Tisch saßen und die höchste Führungsriege Chinas darstellten, hätte jedoch besser zu einem »Essen Sie, so viel Sie können«-Büffet gepasst. Sie aßen gierig, schoben sich gewaltige Stücke Gänseleberpastete in den Mund und saugten lautstark an den Beinen der Alaska-Königskrabbe. Auf den ersten Blick konnte man die neun Männer kaum auseinanderhalten. Nichts als übergroße Drahtbrillen und schwarzes Haar, welches das Gesicht helmartig umrahmte. Bis auf einen rauchten alle Marlboro- oder Hongtashan-Zigaretten, die sie in den auf dem Tisch verteilten Aschenbechern aus Sterlingsilber ausdämpften.
    Man hätte sie für eine Familie von Leichenbestattern halten können, allerdings sehr erfolgreichen Leichenbestattern. In Wirklichkeit waren es jedoch die neun Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros. Ihr gieriges Essverhalten ließ sich nur aus der Geschichte erklären. Selbst die Jüngsten erinnerten sich noch an die Kulturrevolution, jenes Jahrzehnt ab 1966, als Mao und die Rotgardisten den Umsturz Chinas bewirkten. Vier der Männer waren im Alter von zwanzig Jahren in Umschulungslagern gelandet. An diesen brutalen Orten verbrachten sie ihre Tage damit, einen Pflug durch steinige Erde zu ziehen, und ihre Nächte damit, in »Kampfsitzungen« ihre Sünden zu beichten. Jeder der neun Männer hatte Familienmitglieder und Freunde, die diese Lager nicht überlebt hatten und an Lungenentzündung, Hunger oder den Schlägen der Rotarmisten gestorben waren.

    Niemand in diesem Raum sprach je offen über diese Jahre. Aber alle erinnerten sich daran. Und alle neun hatten dieselbe Lektion gelernt, die die Kulturrevolution die gesamte Bevölkerung Chinas gelehrt hatte – auch wenn dies gewiss nicht die Lektion war, die Mao sie lehren wollte. Oder, wer weiß. Nimm, was du kannst, solange du kannst. Denn egal, wie sicher du dich auch fühlst, du kannst alles wieder verlieren, wenn sich die Partei gegen dich wendet.
     
    Von den Kopien, die um den Tisch saßen, hob sich nur der

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