John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
Ellis? Falls Sie darüber sprechen wollen.«
Sie waren im Kreis gegangen und wieder am Coffee Bean gelandet. Rosette ging zu einem Ecktisch und setzte sich.
»Ellis hat mir vor vielen Jahren einen Gefallen getan«, antwortete er leise. Die Tische um sie herum waren leer, aber selbst wenn sie besetzt gewesen wären, hätte ihn niemand außer Wells hören können. »Im Kongo. Damals hieß das Land allerdings Zaire.«
»Shafer war in Afrika im Einsatz?« Wells konnte sich Shafer nur in den Washingtoner Vororten vorstellen.
»Er hat gesagt, eines Tages würde ich mich dafür revanchieren können. Ich dachte, das wäre ein Irrtum. Bis Sie mit Ihrem Bart und Ihrer albernen Tarnung aufgetaucht sind. Ein libanesischer Freiheitskämpfer. Das ist wirklich wie aus dem Comic. Und ausgerechnet jetzt erinnert Shafer sich, dass ich ihm was schuldig bin. Wieso Markow? Meinen Sie, er steckt hinter dem Anschlag auf Sie und Ihre Freundin?«
»Ich will mit ihm reden.«
»Reden? Wirklich nur reden?«
Wells zuckte die Achseln.
»Sie haben Recht. Ich will es gar nicht wissen.« Rosette erhob sich. »Ich arrangiere das. Sehen Sie zu, dass Sie nach Ihrem Gespräch schnell außer Landes kommen. Das sind keine netten Menschen.«
»Damit kenne ich mich aus.«
»Herzlichen Glückwunsch.«
»Sie mögen mich wohl nicht, Nicholas.«
»Ohne Sie wäre mein Leben einfacher.«
»Warum helfen Sie mir dann?«
»Markow ist in Moskau nicht besonders beliebt. Es gibt Menschen, die nichts dagegen hätten, wenn Sie ihn sich vornähmen.«
»Das heißt, Sie benutzen mich.«
Rosette setzte sich wieder, beugte sich zu Wells und schob die vollen Lippen vor. Wells bereute seine Worte schon wieder.
» Ich benutze Sie ?« Obwohl Rosette mit gesenkter Stimme sprach, war ihm die Empörung deutlich anzuhören. » Sie bitten mich um Hilfe, und wenn ich Ihnen den Gefallen tue, spielen Sie den Beleidigten. So dumm können nur Amerikaner sein. Ihr seid alle gleich mit eurer Pseudo-Naivität.«
Rosette atmete keuchend aus. Wells roch den Alkohol in seinem Atem, schweren Rotwein, der vom Kaffeegeruch überlagert wurde.
»Markow hat Feinde, aber er hat auch Freunde. Sonst hätte er nicht so lange überlebt. Wenn herauskommt, dass ich Ihnen geholfen habe, ist das schlicht Pech. Es heißt aber, dass ich in einen dieser hässlichen russischen Kleinkriege verwickelt werde, aus denen man sich besser heraushält. So hatte ich mir das Ende meiner Karriere eigentlich nicht vorgestellt.«
»Es tut mir leid …«
»Ich bin noch nicht fertig, Mr Wells. John. Sie verstehen bestimmt was von Ihrem Job. Sie verkleiden sich als Araber und ballern herum. Das tut ihr Amerikaner gern: Ihr
denkt, wenn ihr mit euren Waffen herumfuchtelt, reicht das, um die Welt in Ordnung zu bringen, und dann könnt ihr wieder nach Hause. Aber diesmal haben Sie sich auf ein Spiel eingelassen, das nicht so simpel ist. Es ist nicht zu Ende, nur weil Sie das sagen. Es geht immer weiter, und wenn Sie es schon vergessen haben, holt es Sie wieder ein.«
Bisher habe ich mich nicht schlecht geschlagen, dachte Wells. Und die Vereinigten Staaten auch nicht. Wenn ich mich nicht irre, hat Frankreich eine zweitklassige Wirtschaft und eine drittklassige Armee und macht vor allem durch das Liebesleben seines Präsidenten von sich reden. Aber er hielt den Mund. Er hatte schon zu viel gesagt.
Rosette erhob sich zum zweiten Mal. »Ellis, Ihr Chef, hat mich vor Mobutu gerettet«, sagte er. »Vielleicht haben Sie ja von Mobutu gehört? Schon mal in ein Geschichtsbuch geschaut? Oder auf CNN einen Dokumentarfilm über ihn gesehen? Zwischen den Werbespots, meine ich.«
»So dick brauchen Sie auch nicht aufzutragen.«
»Mobutu Sese Soko. Ich war einer seiner Freundinnen zu nahegekommen. Er hatte so viele, dass es schwer war, den Überblick zu behalten. Ich nahm die Sache nicht ernst, selbst dann nicht, als mich seine Leute verhafteten. Ich dachte, als Weißer wäre ich sicher. Aber damals hielt sich Mobutu für Gott. Vielleicht war er in Zaire wirklich allmächtig. Verstehen Sie? Ein Wort von ihm, und die Flüsse färbten sich rot von Blut. Allmächtig trifft es wohl tatsächlich. Selbst meine Hautfarbe bot dagegen keinen Schutz. Aber dieser kleine Shafer rettete mir das Leben. Bis heute weiß ich nicht, wie. Und ich versprach ihm, mich zu revanchieren. Jetzt bittet er mich, Ihnen diesen Gefallen zu tun. Und weil Markow nicht nur Freunde,
sondern auch Feinde hat, haben Sie eine Chance. Also werde ich mich für
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