John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
war hier, um mit Kowalski Geschäfte zu machen, nicht um ihm die Konkubine zu stehlen.
Nadja klopfte an eine geschlossene Holztür.
»Herein«, sagte Kowalski leise.
Heiße Wut verdrängte Wells’ Lüsternheit. Jetzt, wo er kurz davorstand, mit Kowalski Frieden zu schließen, hasste er den Mann mehr denn je. Er hatte eigentlich unbewaffnet zu der Besprechung kommen wollen, aber im Hinausgehen doch noch nach seiner Glock gegriffen und sie im Schulterholster verstaut. Er war froh, dass er die Waffe dabei hatte, obwohl es keinen Grund dafür gab. Er war hier, um einen Namen in Erfahrung zu bringen, das war alles.
Im Gegensatz zum Rest der Villa war das Wohnzimmer von moderner Eleganz. In seiner Mitte stand die ungewöhnlichste Skulptur, die Wells je gesehen hatte. Wenn Skulptur das richtige Wort war. Es handelte sich um einen durchsichtigen Kunststoffkasten, der 1,50 Meter hoch, 2,40 Meter lang und 1,20 breit war. Eingegossen in eine
klare Kunststoffmasse waren ein AK-47 und ein RPG-Granatwerfer. Beide waren perfekt erhalten und in allen Einzelheiten erkennbar. Wells klopfte mit der Faust gegen den Kasten. Keine der Waffen rührte sich.
»Sie kennen Damien Hirst?«, fragte Kowalski. Er saß auf einer schwarzen Couch, deren elegante Form in krassem Gegensatz zu seinem fetten Körper stand. Neben ihm hatte der große Scharfschütze Platz genommen, Dragon. Das ungleiche Paar sah aus wie Dick und Doof.
Wells kannte Damien Hirst nicht. Er hielt den Blick fest auf die Waffen gerichtet, die bis in alle Ewigkeit in dem Block eingegossen waren. Kowalski anzusehen wagte er nicht, weil er fürchtete, die Beherrschung zu verlieren. Die Glock in dem Holster unter seiner linken Achsel juckte, schrie geradezu danach, dass er sie zog.
»Ein britischer Künstler. 1991 präsentierte er einen in Formaldehyd eingelegten Tigerhai in einem Behälter wie diesem hier«, erklärte Kowalski. »Einen ganzen Hai. Damit wurde er berühmt. Das Werk hieß ›Die physische Unmöglichkeit des Todes in der Vorstellung eines Lebenden‹. Ein guter Titel, finden Sie nicht? Seitdem sind Kühe, Schafe und ein Haufen anderer Tiere in solchen Kisten gelandet. Der Mann ist damit reich geworden.«
Als Wells nichts sagte, fuhr Kowalski fort. »Vor ein paar Jahren war ich zur Eröffnung einer seiner Ausstellungen in London und bat ihn, etwas für mich zu machen. Das ist seine Antwort. Eine Variation des ursprünglichen Themas. Nicht besonders originell, aber mir gefällt es. Erinnert mich daran, womit ich mein Geld verdiene. Sie halten wahrscheinlich nicht viel davon. Wahrscheinlich finden Sie, man soll funktionierende Waffen nicht auf diese Weise verschwenden.«
»Warum gießen Sie nicht gleich einen toten Afrikaner ein?«, fragte Wells.
Kowalski lachte, ein kurzes bellendes Kichern. »Sie haben also doch Sinn für Humor. Ich war mir da nicht so sicher. Meinen Sie, all die Menschen, die Sie im Laufe der Jahre eliminiert haben, haben einen Tigerhai gesehen, bevor die Lichter endgültig ausgingen? Die physische Unmöglichkeit des Todes in der Vorstellung eines Lebenden.«
Nadja stand immer noch an der Tür. »Gehen Sie«, sagte Wells zu ihr.
Sie lächelte, ein Lächeln, das trotz allem eine Woge des Begehrens durch seinen Körper jagte, tat einen Schritt rückwärts und schloss die Tür. Als Wells den Blick wieder auf die Couch richtete, hatte Dragon seine Pistole gezogen.
»Sehr galant«, stellte Kowalski fest. »Sie mögen sie offenbar. Schon wieder eine Gemeinsamkeit.«
»Den Namen«, sagte Wells.
»Den Namen für einen Waffenstillstand.«
»Den Namen und eine Empfehlung.«
Kowalski hob die Hände. »Ich soll mich für Sie verbürgen? Nein. Nein, nein und nochmals nein. Ich gebe Ihnen den Namen, und Sie tun damit, was Sie wollen. Sollen Ihre Freunde in Langley ihm doch eine Falle stellen. Oder die Deutschen. Kameras an den Wänden. Satelliten. Das volle Programm. Sie wollen sich einschleichen, diesen Mann hinters Licht führen? Iwan Markow hat mir erzählt, wie hervorragend diese Empfehlungen funktionieren.«
»Der Name allein nützt mir nichts«, erwiderte Wells mit einer Geduld, die er eigentlich nicht hatte. Er wandte
sich von der Skulptur ab und ging zum Fenster. Draußen schneite es immer noch. In der Scheibe spiegelte sich die Couch mit Kowalski und Dragon. Dragon folgte ihm mit dem Snubnose. Er hatte sich zur Seite gewandt, um freie Bahn zu haben, falls Wells sich umdrehte. Wenn Wells jedoch weiter am Fenster entlangging, würde
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