John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
»Viel Glück«, wiederholte sie. »Vielleicht sehen wir uns wieder.«
Dann ging Wells.
Als er wieder in seiner Suite war, holte er sein Kyocera-Satellitentelefon heraus, ein großes schwarzes Gerät mit einer fingerdicken Antenne am oberen Ende. Er gab eine achtzehnstellige Nummer ein und lauschte dreißig Sekunden lang auf das Schweigen in der Leitung. In den neunziger Jahren hatte Motorola Milliarden in ein Satellitennetzwerk mit der Bezeichnung Iridium investiert, mit dem Anrufe von jedem Punkt der Welt, einschließlich der beiden Pole, möglich waren.
Aber Iridium hatte sich als Fehlschlag erwiesen. Die Anrufe kosteten mehrere Dollar pro Minute, und für die meisten Geschäftsreisenden waren die üblichen Mobilfunknetze ausreichend. 1999 war Iridium pleitegegangen. Doch die Satelliten waren nie abgeschaltet worden. Obwohl das Netz theoretisch immer noch öffentlich zugänglich war, wurde es mittlerweile in erster Linie von Pentagon und CIA genutzt. Die Nummer, die Wells angerufen hatte, war ein sogenannter Sniffer. Software am anderen Ende der Leitung suchte nach Anomalitäten, die darauf hindeuteten, dass Gerät oder Verbindung manipuliert worden waren. Wenn nichts zu hören war, ging alles in Ordnung. Zumindest behaupteten das die Techniker in Langley, und Wells wollte ihnen nicht widersprechen.
Selbstverständlich war ein sicheres Telefon nutzlos, wenn der Raum verwanzt war. Also ging Wells nach unten und schlenderte durch die stillen Straßen Zürichs.
Obwohl es noch nicht einmal zehn Uhr abends war, war die Stadt so still wie eine Burg bei hochgezogener Zugbrücke. Bürger und Banker saßen wohl zu Hause und zählten den Gewinn des Tages. Während er an den geschlossenen Geschäften in der Bahnhofstraße vorbeiwanderte, telefonierte er mit Shafer, um ihn auf den letzten Stand zu bringen.
Fünf Minuten später sagte Shafer: »Okay, buchstabier den Namen.«
»B-A-S-S-I-M. K-Y-G-E-L-I. Nennt sich aber Bernhard. Leitet eine Import-Export-Firma namens Tukham in Hamburg.«
»Turkham? Wie Türkei-Hamburg?«
»Nein, T-U-K-H-A-M. Ohne R.«
»Hast du eine Vorstellung, wieso?«
»Vielleicht weiß er nicht, wie man Türkei auf Englisch schreibt, Ellis. Konzentrier dich.«
»Und er will Beryllium?«
»Sagt er zumindest. Ich treffe mich morgen um achtzehn Uhr mit ihm.«
»John …« Sechseinhalbtausend Kilometer entfernt wurde es still. Vermutlich überlegte Shafer, was er als Nächstes sagen sollte. Schließlich seufzte er, als hätte er eingesehen, dass es sinnlos war, Wells das Treffen auszureden. »Also gut. Welche Coverstory?«
Wells berichtete. »Kannst du mir Papiere besorgen?«
»Und sie in zwanzig Stunden nach Deutschland schaffen? Klar doch. Ein Kinderspiel. Such dir einen Familiennamen aus.«
»Albert.«
»Albert? Okay. Roland Albert, rhodesischer Söldner. Wir besorgen dir wohl besser einen britischen Pass. Ich
schicke einen Kurier nach Hamburg. Wie ist dein rhodesischer Akzent?«
»Shrimp on the barbie, mate?«
»Nicht australisch, John, rhodesisch.« Shafer fing an zu lachen, verstummte jedoch abrupt. »Das ist kein Witz. Nicht, wenn fünf Kilo hoch angereichertes Uran verschwunden sind. Du weißt, dass ich Duto informieren muss. Der wird den BND benachrichtigen und die Dinge ins Rollen bringen.«
»Gib mir zumindest die Chance auf ein erstes Treffen.«
»Und dein dicker Freund? Hast du mit dem noch eine Rechnung offen?«
»Ein Wort ist ein Wort«, sagte Wells. »Wie geht’s Jenny?«
»Jeden Tag besser«, erwiderte Shafer. »Sie lässt dich grüßen.«
Wells legte auf. Er stand jetzt direkt vor dem Züricher Bahnhof, der am Nordende der Bahnhofstraße lag, und bog nach rechts ab, wo er an der schmalen Limmat, einem friedlich plätschernden Abfluss des Zürichsees, entlangging. Er wählte Exleys Handynummer, obwohl ihm die Sinnlosigkeit seines Tuns bewusst war - sie ging nicht mehr ans Telefon.
Heute Abend schon.
»Hallo?« Diese Stimme. Rauchig, sanft, rau und wissend. Wenn er nachts nicht schlafen konnte, sprach sie flüsternd mit ihm, bis ihr selbst die Augen zufielen, und selbst dann konnte er ihre tröstliche Stimme noch hören. Er schämte sich für jedes bisschen Lust, das er für Nadja empfunden hatte.
»Ich bin’s.«
»Wo bist du?«
»In Zürich.« Er wartete, dass sie ihn fragte, warum, aber das tat sie nicht.
»Sind sie außer Gefahr?«, fragte sie schließlich. Ein alter Insiderwitz zwischen ihnen, eine Anspielung auf die Szene im Marathon-Mann.
»Außer
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