John Workmann - Vom Zeitungsjungen zum Millionär
mir, wenn man dann müde von seinem Arbeitsplatz nach Hause kommt, hat man kein Interesse mehr für irgend etwas anderes als für ein behagliches Zimmer, ein gutes Essen und ein gutes Bett.«
Die Mutter schlug die Hände zusammen:
»John, John, du versündigst dich. Ist das nicht etwa genug, was du da sagst. Beten nicht Tausende von Menschen zum lieben Gott, daß er ihnen ein behagliches Heim, ein warmes Bett und ein gutes Essen gibt?«
»Gewiß«, antwortete John Workmann, »aber du mußt nicht vergessen, daß es Unterschiede gibt. Es kommt immer darauf an, Mutter, was man als höchstes Glück in der Welt ansieht. Für mich ist ein behagliches Heim zur Zeit nicht das Höchste, sondern nur für dich!
Und das nur aus dem Grunde, damit ich den Weg vorwärtsgehen kann, den ich mir vorgeschrieben habe. Ich eigne mich nicht zum einfachen Arbeiter. Ich kann nicht stundenlang an einer Maschine stehen und im Laufe eines Tages, einer Woche oder eines Monats dieselbe Tätigkeit tausendmal wiederholen. Solche Beschäftigung können nur Leute ausüben, die kein weiteres Interesse in sich fühlen. Und diese Leute sind mit ihrer Beschäftigung vollkommen zufrieden, weil sie eben auf ihrem Arbeitsplatz den höchsten Grad ihres Könnens erreicht haben. Verstehst du, Mutter, was ich damit meine?«
Die Frau nickte.
»Ja, ja, das verstehe ich schon, John, aber was willst du denn werden?«
Da lächelte John Workmann seine Mutter an und sagte:
»Das, was Mister Bennett ist.« –
Mehrere Minuten erwiderte die Mutter gar nichts.
Endlich atmete sie tief auf, so, als ob sie nicht genügend Luft bekäme, als ob eine schwere Last ihre Brust bedrücke und sie am freien Atmen hindere.
»John, ich sehe keinen guten Weg für dich. Ich glaube, du bist wie dein Vater und wirst in deinen Phantasien ein unglücklicher Mensch werden.«
»Nun, Mutter«, sagte John Workmann, »dann habe ich es mit mir selbst auszumachen. Ich denke aber, es wäre besser, wenn du dich mit mir über meine Zukunftspläne freutest.«
»Wie kann ich das, John? Wenn du mir ein Ziel nennst, das du vorhast und welches so hoch über dir steht, daß ich deinen Wunsch nicht verstehen kann.«
»Bin ich etwa der erste Zeitungsjunge, der es in Amerika zu einem großen Manne gebracht hätte?«
»Das nicht, das nicht, John.«
»Nun höre einmal zu, Mutter. Ich glaube, ich habe einen Plan, der für dich von größtem Wert wäre. Sieh mal, ich habe von Mister Bennett fünfzig Dollar bekommen. Ich kann fast sagen, es ist unverdientes Geld. Denn daß ich mit den Berichterstattern die Seefahrt zu dem Wrack der ›Republic‹ gemacht habe, das war für mich keine Arbeit, sondern eine Lehre. Ich erkannte daraus das Wohlwollen von Mister Bennett, und er ist mir für meine Zukunft, falls ich ihn einmal brauchen sollte, nicht fremd.«
»Ja, ja«, sagte die Mutter, »warum willst du denn nicht als Berichterstatter bei Mister Bennett dein Brot verdienen?«
John Workmann lächelte. »Glaubst du wirklich, ein Berichterstatter könnte seine Arbeit ebenso tun wie irgendein gelernter Arbeiter? Nein, Mutter, ein Berichterstatter muß ungeheuer viel wissen und reisen, und je mehr er die Welt kennenlernt, um so besser erfüllt er seinen Beruf als Journalist.
Sieh mal, Mutter, ich habe die Absicht, mich zum Journalisten auszubilden. Aber da nutzt mir nicht New York. Da kann mir nur die weite Welt helfen.«
»Aber, Junge«, erwiderte die Mutter, »so lies doch nur die Zeitung. Die Hälfte der Zeitung ist doch nur ausgefüllt von dem, was in New York passiert.«
»Da hast du recht, Mutter, aber für diese Hälfte, die da mit Berichten aus New York ausgefüllt ist, sind auch schon an hundert Berichterstatter für Mister Bennett tätig und –« er machte eine nachdenkliche Pause, bevor er weitersprach:
»Sieh mal, Mutter, diese Berichterstatter, welche die Nachrichten für New York in die Zeitungen bringen, heißen Reporter und werden am schlechtesten bezahlt. Sie verdienen oftmals viel weniger als ein Arbeiter in dem Maschinensaal. Nein, Mutter, ich will kein Reporter werden, sondern ein tatsächlicher Berichterstatter, oder besser gesagt, ein Journalist.«
»Was ist denn ein Journalist?«
»Ich werde es dir erklären, Mutter.
Ein Journalist ist derjenige Mitarbeiter einer Zeitung, der aus fremden Ländern Berichte über Politik, Kunst, Wirtschaft oder bedeutsame Ereignisse schreibt. Ein Journalist, Mutter, muß fähig sein, bei schwierigen Verbrechen das, was die Polizei nicht finden
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