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Johnson, Denis

Johnson, Denis

Titel: Johnson, Denis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesu’s Sohn
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konnte, war: «Was macht die denn da oben?» Obwohl wir es natürlich sehen konnten: Sie flog.
    «Na», sagte Wayne. «Das ist mal ein schöner Anblick.»
    Auf dem Weg in die Stadt bat mich Wayne, einen längeren Umweg über den Alten Highway zu machen. An einem windschiefen Farmhaus auf einem Grashügel ließ er mich halten.
    «Ich geh da kurz rein», sagte er, «bloß für zwei Sekunden. Willst du mit?»
    «Wer wohnt denn da?» sagte ich.
    «Komm mit, dann siehst du’s», meinte er.
    Als wir zur Veranda hinaufgingen und klopften, schien niemand zu Hause zu sein. Trotzdem klopfte Wayne nicht noch einmal, und nach vollen drei Minuten wurde die Tür von einer Frau geöffnet, einem zierlichen Rotschopf in einem Kleid mit kleinen Blumen drauf. Sie lächelte nicht Sagte nur «Hi».
    «Können wir reinkommen?» fragte Wayne.
    «Ich komm lieber auf die Veranda», sagte sie, ging an uns vorbei, blieb stehen und bückte über die Felder.
    Ich wartete am anderen Ende der Veranda, ans Geländer gelehnt, und hörte weg. Keine Ahnung, worüber die beiden sprachen. Sie ging die Treppe hinunter, und Wayne folgte ihr. Er stand da, verschränkte die Arme und redete auf den Erdboden ein. Der Wind hob und senkte ihr langes rotes Haar. Sie war an die Vierzig und eine bleiche Schönheit, wie von Wasser durchströmt Ich schätze mal, Wayne war der Sturm gewesen, der sie hierher verschlagen hatte.
    Nach einer Minute sagte er zu mir: «Komm.» Er stieg auf der Fahrerseite ins Auto und ließ den Motor an (man brauchte zum Anlassen keinen Schlüssel).
    Ich ging die Treppe hinunter und setzte mich neben ihn. Er betrachtete sie durch die Windschutzscheibe. Sie war noch nicht wieder reingegangen. Hatte sich überhaupt nicht vom Fleck gerührt.
    «Das ist meine Frau», sagte er, als wenn’s nicht sonnenklar gewesen wäre.
    Dann fuhren wir ab; ich drehte mich im Sitz herum und besah mir Waynes Frau noch einmal ganz genau.
    Was läßt sich über die Felder dort sagen? Sie stand auf ihnen wie auf einem hohen Berg, ihr rotes Haar wehte seitwärts im Wind, zu ihren Füßen dehnte sich grün und grau das flache Land, und alle Gräser Iowas sangen einen, immer nur einen Ton.
    Ich wußte, wer sie war.
    «Das war sie doch, oder?» sagte ich.
    Wayne war nicht in der Lage zu sprechen.
    Aber ich hatte nicht den geringsten Zweifel. Das war die Frau, die wir über dem Fluß gesehen hatten. Nach allem, was ich sagen konnte, war ich in eine Art Traum hineingeraten, den Wayne gerade träumte, einen Traum von seiner Frau und seinem Haus. Doch ich sagte nichts.
    Und zwar, weil sich am Ende an fast unmerklichen Zeichen zeigen sollte, daß dies einer der besten Tage meines Lebens war, ob’s nun am Traum eines andern lag oder nicht Auf einem Schrottplatz am Rand der Stadt, gleich neben den schimmernden Eisenbahngleisen, bekamen wir 28 Dollar für die gebrauchten Kabel – jeweils –, und danach gingen wir zurück ins Vine.
     
    Und wer machte da den Ausschank? Niemand anders als eine junge Frau, an deren Namen ich mich nicht erinnere. Aber ich weiß noch, wie sie ausschenkte; es war, als würde dein Geld sich verdoppeln. Dire Chefs würde die nicht reich machen. Klar, daß wir sie anhimmelten.
    «Geht auf mich», sagte ich.
    «Kommt nicht in die Tute», sagte Wayne.
    «Na komm schon.»
    «Das», sagte Wayne, «ist heute mein Opfergang.»
    Opfergang? Wo hatte er ein Wort wie Opfergang her? Ich hatte es vorher bestimmt noch nie gehört.
    Einmal hatte ich erlebt, wie Wayne in einer Bar einen kurzen Blick über den Pokertisch warf und – keine Übertreibung – ausgerechnet den bulligsten, schwärzesten Mann von Iowa beschuldigte, ihn übers Ohr zu hauen, einzig und allein deshalb, weil es gerade mit seinen, Waynes, Karten nicht sonderlich lief und er sich darüber ärgerte. Ungefähr so stellte ich mir einen Opfergang vor: sich selbst wegwerfen, den eigenen Leib preisgeben. Der Schwarze erhob sich und legte die Hand um den Hals einer Bierflasche. Nie war in der Bar ein größerer Mann gewesen.
    «Komm raus vor die Tür», sagte Wayne.
    Und der Mann: «Wir sind hier nicht in der Schule.»
    «Was, du gottverdammte bepißte Scheiße», sagte Wayne, «soll das nun wieder heißen?»
    «Ich werd nicht vor die Tür gehen, als wären wir in der Schule. Tu, was du nicht lassen kannst, aber tu’s hier und jetzt.»
    «Für das, was wir beide vorhaben, ist dies nun wirklich nicht der richtige Ort», sagte Wayne, «nicht mit all den Frauen und Kindern und Hunden und Krüppeln

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