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Johnson, Denis

Johnson, Denis

Titel: Johnson, Denis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesu’s Sohn
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Man merkte gleich, daß sie von derselben Firma gebaut und dann in vier verschiedenen Farben angestrichen worden waren. In den unteren Stockwerken fehlten die Fensterscheiben, und im Vorbeifahren sah ich, auf den Böden lag Schuck. Vor einiger Zeit mußte eine Flut über die Ufer getreten sein und alles weggeschwemmt haben. Jetzt allerdings floß der Fluß flach und gemächlich. Das Haar der Weiden strich übers Wasser.
    «Machen wir ‘nen Bruch?» fragte ich Wayne.
    «Du willst in ein verlassenes, leeres Haus einbrechen?» sagte Wayne, entgeistert über so viel Begriffsstutzigkeit.
    Ich schwieg.
    «Dies ist ein Verwertungsjob», sagte er. «Fahr da rauf, zu dem Haus, gleich da drüben.»
    Das Haus, vor dem wir das Auto abstellten, machte einen grauenhaften Eindruck. Ich klopfte.
    «Laß das», sagte Wayne. «Ist idiotisch.»
    Drinnen stäubte der Schlick, den der Fluß zurückgelassen hatte, unter unseren Füßen. In ungefähr einem Meter Höhe zogen sich Wasserlinien über die Wände des Erdgeschosses, und überall lagen Grasbüschel, ganz steif und gerade, als hätte man sie zum Trocknen ausgebreitet.
    Wayne hatte ein Stemmeisen und ich einen glänzenden Hammer mit blauem Gummigriff, Wir setzten das Eisen in den Wandfugen an und begannen, den Rigips herunterzubrechen; er ging ab mit einem Krachen, wie wenn alte Männer husten. Sobald wir die Kabel in ihrer weißen Umhüllung freigelegt hatten, rissen wir sie aus den Befestigungen, zogen sie heraus und wickelten sie zu Bündeln. Denn das war’s, was wir wollten. Unser Plan war, den Kupferdraht als Gebrauchtmetall zu verkaufen.
    Etwas später, inzwischen waren wir im ersten Stock, war mir klar, daß bei der Sache tatsächlich was rausspringen würde. Doch ich wurde müde. Ich ließ den Hammer fallen und ging ins Bad. Ich war verschwitzt und durstig. Natürlich lief das Wasser nicht.
    Ich ging zu Wayne zurück, der gerade in einem der kleinen leeren Zimmer stand, und begann, herumzutanzen und mit dem Hammer auf die Wände einzudreschen; ich zertrümmerte die Rigipsplatten und machte einen gigantischen Lärm, bis der Hammer schließlich in einer der Wände stecken blieb. Aber Wayne beachtete meinen Anfall gar nicht.
    Danach mußte ich Atem schöpfen.
    Ich fragte ihn: «Wem gehören die Häuser wohl, was meinst du?»
    Er stutzte. «Das hier ist meins.»
    «Ach ja.»
    «Oder war’s mal.»
    Mit einem langen, weichen Ruck, einer Geste voll heiterem Haß, riß er ein Kabel aus der Wand, daß die Krampen nach allen Seiten flogen, und zog es ins Zimmer.
    Über eine Stunde waren wir damit beschäftigt, die Kabel aufzurollen und in der Zimmermitte zu stapeln. Anschließend hievte ich Wayne durch die Dachbodenluke, und er zog mich hinter sich hoch, und dabei schwitzten wir, so daß uns die Gifte, die in unseren Drinks gewesen waren, aus allen Poren sickerten und sich ein Geruch wie von alten Zitronenschalen verbreitete, und dann machten wir da oben, direkt unterm Dach von Waynes früherem Haus, einen Haufen aus weißumhüllten Kabelschlangen, die wir durch die Falltür nach oben zerrten.
    Ich fühlte mich schwach. Ich mußte mich übergeben, in der Zimmerecke: Ein Fingerhut voll grauer Galle, mehr kam nicht «Ich bin high», zeterte ich, «aber die Arbeit hier versaut mir das Ganze komplett Weißt du denn keine einfachere Art, sich ‘nen Dollar zu verdienen?»
    Wayne trat ans Fenster. Er ließ sein Stemmeisen ein paarmal gegen die Scheibe krachen, jedesmal stärker, bis sie mit einem Knall zerbarst Dann warfen wir unser Zeug auf die schlammgeglätteten Wiesen, die sich vom Ufer heraufzogen, direkt bis zu uns.
    Es war ganz still in jener sonderbaren Gegend am Fluß, nur eine Brise ging unablässig durch die jungen Blätter. In diesem Moment jedoch hörten wir ein Boot den Fluß heraufkommen. Das Geräusch zog sich wie das Kringeln und Kreisen einer Biene durch die Schößlinge beidseits des Wassers, und eine Minute später zerschnitt ein Motorboot mit flacher Schnauze die Flußmitte; es fuhr fünfzig oder sechzig, mindestens.
    Das Boot schleppte an einem Seil einen gewaltigen dreieckigen Drachen hinter sich her. Und an dem Drachen, gut dreißig Meter über dem Wasser, hing eine Frau, die wohl mit Gurten, nehm ich an, irgendwie daran festgeschnallt war. Sie hatte langes rotes Haar und war zart und weiß und ganz nackt, abgesehen von ihrem wunderschönen Haar. Ich weiß nicht, was sie sich dabei dachte, als sie über die verfallenen Häuser wegschwebte.
    Alles, was ich sagen

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