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Johnson, Denis

Johnson, Denis

Titel: Johnson, Denis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesu’s Sohn
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dessen Gesicht ein Messer ragte.
    «Na, was haben wir denn hier für ein Problemchen?» sagte er.
     
    Der Doktor versammelte uns drei in seinem Dienstzimmer und sagte: «So sieht’s aus. Wir brauchen ein Team, ein komplettes Team. Ich will einen guten Augenmann. Einen super Augenmann. Den besten überhaupt Ich will einen Gehirnchirurgen. Und ich will einen Narkosemann, einen richtig guten, bringt mir ein Genie. Ich rühr diesen Kopf nicht an. Ich werd hier bloß zugucken. Ich kenne meine Grenzen. Wir werden ihn OP-fertig machen, und damit basta. Pfleger!»
    «Meinen Sie mich?» sagte Georgie. «Soll ich ihn OP-fertig machen?»
    «Ist das hier ein Krankenhaus?» sagte der Doktor. «Ist das hier die Notaufnahme? Ist das da ein Patient? Sind Sie der Pfleger?»
    Ich rief die Frau in der Telefonzentrale an und sagte ihr, sie solle dem Augenmann und dem Gehirnmann und dem Narkosemann Bescheid geben.
    Von der anderen Seite des Gangs her konnte man Georgie hören; er wusch sich die Hände und sang ein Lied von Neil Young, das ging: «Hello, cowgirl in the sand. Is this place at your command?»
    «Der Kerl tickt nicht richtig, wirklich nicht, nicht das kleinste bißchen», sagte der Doktor.
    «Solange er kapiert, was ich ihm zu tun gebe, ist mir das egal», sagte Schwesterchen trotzig. Sie löffelte irgendwas aus einem kleinen Pappbecher. «Ich muß an mein eignes Leben denken, daran, wie ich meine Familie beschütze.»
    «Ist ja gut, okay, okay», sagte der Doktor. «Nun reißen Sie mir mal nicht gleich den Kopf ab.»
    Der Augenmann war nicht da, in den Ferien oder sonstwo. Wahrend die Telefonistin sich bemühte, einen gleichwertigen Ersatz zu finden, eilten die anderen Spezialisten durch die Nacht herbei. Ich stand herum, guckte mir Diagramme an und schluckte noch mehr von Georgies Tabletten. Manche schmeckten so, wie Urin riecht, andere brannten auf der Zunge, wieder andere schmeckten wie Kreide. Inzwischen waren ein paar Schwestern zu uns gestoßen, außerdem zwei Ärzte, die gerade jemanden auf der Intensivstation behandelt hatten.
    Alle hatten ihre eigenen Vorstellungen davon, wie man das Problem angehen und das Messer aus dem Gesicht von Terrence Weber entfernen sollte, ohne sein Gehirn zu verletzen. Doch als Georgie den Patienten OP-fertig gemacht hatte – ihm die Augenbraue rasiert und den Wundbereich desinfiziert hatte und so weiter – und zu uns zurückkam, sah’s so aus, als hielte er das Jagdmesser in der Linken.
    Das Gespräch verstummte jählings.
    «Wo», fragte der Doktor nach einiger Zeit, «haben Sie das denn her?»
    Ziemlich lange sagte niemand etwas.
    Endlich, nach einer ganzen Weile, sagte eine der Schwestern von der Intensivstation: «Dein Schnürsenkel ist auf.» Georgie legte das Messer auf ein Diagramm und kniete sich hin, um sich den Schuh zuzubinden.
     
    Wir hatten noch zwanzig Minuten Schicht.
    «Wie geht’s dem Typen denn so?» fragte ich.
    «Wem?» sagte Georgie.
    Wie sich zeigte, konnte Terrence Weber auf seinem guten Auge weiterhin ausgezeichnet sehen, und auch seine Motorik, seine Reflexe waren trotz der vorherigen Beschwerden in einem annehmbaren Zustand. «Körperlich alles in Ordnung», sagte Schwesterchen. «Dem Burschen geht’s gut. Sachen gibt’s.»
    Nach einiger Zeit vergißt du, daß es Sommer ist Du weißt nicht mehr, was das ist – der Morgen. Ich hatte zwei Doppelschichten gemacht und die acht freien Stunden dazwischen schlafend auf einer Trage im Schwesternheim verbracht Dank Georgies Tabletten fühlte ich mich wie ein riesiger, mit Helium gelullter Ballon; doch ich war hellwach. Georgie und ich gingen raus zum Parkplatz, zu seinem orangefarbenen Pickup.
    Wir legten uns auf eine verstaubte Sperrholzplatte hinten auf der Ladefläche. Tageslicht pochte an unsere Lider, Luzernenduft legte sich dick auf unsere Zungen.
    «Ich will in ‘ne Kirche», sagte Georgie.
    «Laß uns auf den Rummel gehen.»
    «Ich möchte beten, im Ernst»
    «Die haben da verletzte Falken und Adler. Vom Verein gegen Tierversuche», sagte ich.
    «Alles, was ich jetzt brauche, ist eine stille Kapelle.»
     
    Georgie und ich fuhren durch die Gegend, und es war phantastisch. Eine Zeitlang war der Tag klar und friedvoll. Es war einer jener Momente, die in dir weiterleben, zum Teufel mit allem früheren und künftigen Ärger. Der Himmel ist blau; die Toten kehren zurück. Später, am Nachmittag, entblößt die Kirmes in trüber Resignation ihre Brüste. Ein LSD-Recke, ein berühmter Guru der «love

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