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JoJo Und Ich

JoJo Und Ich

Titel: JoJo Und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Bernal
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ganz schön, aber das war nichts gegen das Gefühl, das in mir hochkam, als ich das Objekt erkannte.
    Da unten lag ein Delfin im Wasser, in ein riesiges Schildkrötennetz verfangen, regungslos.
    »Das ist JoJo«, sagte ich.
    Melinda begann meinen Traum als Vision zu erkennen und sagte: »Genau, wie du es beschrieben hast. Genau die Stelle.«
    »Ich weiß. Ich habe ihn gespürt.«
    »Glaubst du, dass er noch lebt?«
    Ich schloss kurz die Augen. Wellen von ungeheurem Schmerz durchliefen mich wie Stromstöße. Bin ich JoJo? Lebendig, aber in Pein. O Gott, dieser schneidende Schmerz.
    Ich blinzelte. Ich musste jetzt ich sein, Dean. Und ich musste handeln.
    »Wir müssen zu ihm, augenblicklich.«
    »Und wo soll ich landen? Es sieht nicht so aus, als wäre irgendwo in der Nähe einen Flugplatz.«
    Ich wusste, dass es hier in den Mangroven eine alte Staubpiste gab, die früher bestimmt einmal fragwürdigen Zwecken gedient hatte. Ich zeigte sie Melinda. Es wurde eine dieser Landungen, bei denen man sich unwillkürlich am Sitz fest krallt. Erst als wir glücklich standen, fiel mir ein, dass ich nichts als ein Erste-Hilfe-Set, ein Wunddesinfektionsmittel und einen Rettungsgurt zur Verfügung hatte.
    Womit sollte ich JoJo aus dem Netz schneiden? In meinen Träumen hatte er sich nicht bewegt. Jetzt wusste ich, weshalb.
    Nicht einmal ein Taschenmesser trug ich bei mir. Wo hatte ich bloß meinen Kopf, als wir mit der Suche anfingen?
    Wir nahmen alles mit und rannten durch die Mangroven. Als wir an einem alten baufälligen Schuppen vorbeikamen, hielt ich mich gar nicht erst damit auf, nach einem Haupthaus zu suchen, in dem ich hätte um Hilfe bitten können. Ich brauchte Werkzeug, und zwar auf der Stelle!
    Kurz entschlossen trat ich die Tür ein. In der muffigen Hütte standen ein paar alte Holzkisten herum, die ich hektisch durchwühlte. Dabei stieß ich auf eine rostige Drahtzange und eine Bügelsäge. Ich versuchte die Zange zuzudrücken, aber sie war völlig eingerostet.
    »Sonst ist hier nichts«, sagte Melinda. »Komm, weiter.«
    Erst am Strand sah ich, dass JoJo viel zu weit draußen war, als dass wir hätten mit den Werkzeugen zu ihm schwimmen können. Aber wie es das Glück wollte, hatte jemand sein Boot ungesichert hier liegen lassen. Sogar der Tank war gefüllt. Ich sah mich nach allen Seiten um. Weit und breit war kein Mensch zu sehen.
    »Ich kann den Motor kurzschließen«, sagte ich. Melinda stand der Mund offen. »Fass mal mit an.«
    Sie fing sich schnell wieder und frotzelte: »Einbruch, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Fahrzeugdiebstahl – wenn sie uns schnappen, kommt ganz schön was zusammen.«
    »Hattest du nicht gesagt, dass du mal ein bisschen Abwechslung brauchst?«, hielt ich dagegen, warf die Werkzeuge ins Boot, schob es ins Wasser, sprang mit Melinda hinein und ließ die Drähte funken. Der Motor tuckerte los.
    Als wir uns näherten, kam mir der Grund für die Beklemmungen, die ich in letzter Zeit empfunden hatte, zu Bewusstsein. JoJo hatte sich vollkommen in diesem Schildkrötennetz verfangen.
    »Mein Gott, er hängt sicher schon tagelang hier fest«, sagte Melinda, kaum hörbar durch das Brummen der Maschine. »Unfassbar, dass er überhaupt noch lebt.«
    Der Anblick, der sich uns bot, war nur schwer zu ertragen. JoJos Haut sah aus wie eine Straßenkarte, das aus dünnen Fäden bestehende Netzgeflecht hatte sich tief in seine Haut eingegraben. Überall war er wundgescheuert, an Rücken und Kopf hatte er von der Sonne Verbrennungen dritten Grades mit lauter Blasen. An einer Stelle klaffte das rohe Fleisch. Die Einschnitte an der Schwanzflosse und an den Brustflossen gingen so tief, dass man die Knorpel sah.
    Was für eine Quälerei für meinen Freund. Der Gedanke an alles, was er die letzten Tage durchgemacht haben musste, schnürte mir den Hals zu.
    Anfänglich hatte er wohl noch versucht, sich zu befreien, aber mit jeder Bewegung muss er sich mehr in dem Netz verheddert haben, und die Einschnitte wurden immer tiefer.
    Schildkrötennetze sind ein Geflecht aus einfädigen Kunststofffasern, dünn wie Angelschnur. In die zähe Haut eines Delfins schneiden sie sich so leicht ein, wie eine Gitarrensaite ein hartes Ei zerteilen würde. Die Knotenpunkte sind dermaßen fest, dass weder eine Schildkröte noch irgendein anderes Lebewesen auch nur die geringste Chance hat. Sie können dann nur noch versuchen, wenigstens an der Oberfläche zu bleiben, um Luft zu bekommen.
    Was für eine Wahl JoJo da zu treffen

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