JoJo Und Ich
zum Atmen auftauchte, gluckste JoJo weiter und zog mich gleich wieder nach unten. Wir befanden uns hier am Abbruch in die Tiefe, und JoJo plapperte nicht nur unentwegt, sondern zog mich auch weiter hinab. Unter mir, bestimmt fünfunddreißig Meter tiefer, nahm ich das Riff wahr.
Dort war ein sandbedeckter schräger Absatz zu sehen, der bis auf gut vierzig Meter Tiefe abfiel und einen letzten Rand in fünfzig Metern Tiefe erkennen ließ, hinter dem es in die bodenlose Dunkelheit ging. Die Tauchlehrer kamen mit ihrer Ausrüstung zu diesem Absatz, von dem aus es in neunzig bis hundert Metern Tiefe an der Wand entlang ging, bis man schließlich mit mehreren Dekompressionspausen wieder aufstieg. Ich war ein paar Mal mit von der Partie gewesen, kannte das Gelände also ganz gut.
JoJo schleppte mich jetzt an der Oberfläche über dem tiefen Riff entlang, sodass ich die Geländeformationen unter uns aus dem Blick verlor. Plötzlich verharrte er. Ich hatte keine Ahnung, wo wir uns befanden, und hätte folglich auch nicht sagen können, weshalb genau JoJo innehielt.
Ich erinnerte mich an das letzte Mal, als er versucht hatte, mich über die Abbruchkante hinaus aufs Meer zu locken. Das war, als er mit seinem Pfeifen eine Gruppe von Delfinfreunden in unsere Richtung lenkte. Ich lauschte ins Wasser hinein, ob sich auch diesmal wieder Artgenossen von JoJo in der Nähe aufhielten, aber das kobaltblaue Wasser unter mir blieb still. JoJo pfiff, schwamm vor mich und blickte mir mit einem seiner großen braunen Augen ins Gesicht. Das Pfeifen ging in ein Glucksen über.
Ich wusste, was jetzt kommen würde, und holte tief Luft, während JoJo sanft seine Kiefer um meine Hand schloss. Dann tauchte er mit mir ab. Schlängelnd und in Spiralwindungen ging es in das immer dunkler werdende Blau hinunter – kobalt, ultramarin und schließlich indigo.
Ich blickte JoJo in das mir zugewandte Auge. Es lag etwas Ruhiges und Wissendes darin, ich hatte nichts zu befürchten. Unter uns erkannte ich das tiefe Riff und den Sandabsatz. Auf unserem Weg in die Tiefe ließ ich wiederholt ein wenig Luft ab, um den Druck auszugleichen. Ich verspürte eine gewisse Leere in der Lunge, sicher würde JoJo gleich kehrtmachen. Einstweilen jedoch tauchten wir noch tiefer. Schließlich erreichten wir den schrägen Sandabsatz in gut vierzig Metern unter dem Meeresspiegel. JoJo zog mich über dem Sand auf den Abbruch zu.
Ich war ganz ruhig und trat in einen Zustand vollkommen entspannter Bewusstheit ein. JoJo machte kehrt und stieg wieder auf, während mir schon Sterne vor den Augen tanzten, die ich gelassen betrachtete. Ich erlebte tiefsten Frieden und nichts anderes zählte, nichts als dieser unendliche Augenblick. Von ganzem Herzen war ich mit allem einverstanden – und selbst wenn ich jetzt das Bewusstsein verloren hätte, wäre es in Ordnung gewesen.
Es gab nichts, was dieser vollkommenen Schönheit und Glückseligkeit irgendetwas hätte anhaben können.
Keine Atemgeräusche störten die reine Stille. Nur mein Herz hörte ich schlagen und spürte es mit dem ganzen Körper. Der Luftmangel begann sich als eine gewisse Enge in der Kehle bemerkbar zu machen, doch in dem tief meditativen Zustand, in dem ich mich befand, nahm ich dieses leichte körperliche Unbehagen nur am Rande wahr. Sobald wir ein wenig höher kamen, wurde es mir leichter in der Brust, als füllte sich meine Lunge allmählich mit Luft.
Gelassen und interessiert registrierte ich die wieder wechselnden Blautöne und sah das leuchtende Weiß des Sandes unter mir entschwinden. Mit jedem Schwanzschlag trug uns JoJo höher hinauf, und meine Brust entspannte sich zunehmend. Wir vollführten Schwünge und Rollen, während JoJo eine vertraute Melodie pfiff. Alles war einfach grenzenlos.
Von oben funkelten kristallene Lichter, während wir immer wärmere und hellere Wasserschichten durchtauchten. Zehn Meter unter der Oberfläche ging JoJo vom steilen Aufstieg in eine schräge Gleitbahn über, und dann durchbrachen wir den Wasserspiegel. Sofort atmete ich mehrmals tief durch.
Die anderen Taucher mit ihren Atemgeräten, die uns hatten nacheifern wollen, warteten noch in einiger Entfernung am zwölf Meter tiefen Riff. Sie hatten uns aus den Augen verloren, seit wir vor annähernd fünf Minuten in das tiefe Blau abgetaucht waren. Bisher hatte ich beim Freitauchen maximal vier Minuten die Luft angehalten, und das in nur drei Metern Tiefe beim Schwimmen. Diesmal war ich annähernd fünf Minuten
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