JoJo Und Ich
Schwimmrunden, blieb jedoch immer gerade so weit entfernt, dass ich ihn nicht deutlich erkennen konnte.
»Was der wohl von mir will?«, fragte ich Daniel.
»Keine Ahnung, Mann, aber es sieht ganz so aus, als hättest du den TTES-Test bestanden«, gab er zurück. »Vorerst.«
Ich sagte es zwar niemandem, aber mir war immer etwas unheimlich zumute, wenn dieser Delfin sich in der Nähe aufhielt, und das, obwohl er mich nie bedrängt oder mir irgendeinen Anlass zu Befürchtungen gegeben hatte. Im Laufe der nächsten drei Monate sah ich ihn wiederholt an mir vorbeischwimmen. Beim Tauchunterricht zeigte er sich nur noch selten, nachmittags aber, wenn ich meine Strecke schwamm, war er immer zur Stelle. Dabei hielt er Distanz, schien aber doch allmählich näher zu kommen.
Bei einer unserer gemeinsamen Schwimmrunden entdeckten wir eine kleine Korallenburg, die etwa fünfundzwanzig Meter vor dem Strand in drei Metern Tiefe lag. Von da an hielt ich mich meistens eine Weile an dieser Stelle auf, um mich am Farbenspiel der Korallen zu erfreuen und das Leben der kleinen Meeresbewohner, darunter Seepferdchen, Anemonen und winzige mit Seegras besetzte Krabben, zu beobachten. Gruppen kleiner Fische versteckten sich vor dem Delfin und mir in der Tiefe der Räume zwischen den Korallengewächsen. Hier blieben wir manchmal über eine halbe Stunde, immer wieder tauchend, um die ganze Vielfalt des Lebens in dieser kleinen Oase zu bestaunen, der ich den Namen Sonnenfischriff gab.
An dieser Stelle kam der Delfin dann auch näher heran. Ich hatte zwar den Impuls, ganz dicht auf ihn zuzuschwimmen, so wichtig aber war es mir auch wieder nicht, und seine Gesellschaft sowie sein wissbegieriges Wesen konnte ich durchaus auch aus einiger Entfernung genießen.
Die langen Schwimmausflüge wurden zunehmend zu meiner Lieblingsbeschäftigung. Es brauchte nur irgendjemand zu erwähnen, dass der Delfin wieder einmal an Grace Bay vorbeigeschwommen war, und schon machte ich mich auf den Weg zum Strand, um nach ihm Ausschau zu halten.
Als wir eines Nachmittags wieder einmal unseren kleinen Korallenhügel erkundeten, sah ich beim Aufblicken, dass mich der Delfin von der anderen Seite des Riffs her durch ein Loch beobachtete. Dieser Blick! Und auch einige andere Merkmale kamen mir bekannt vor. Ich schwamm etwas näher heran, ohne jedoch seine Grenzen zu verletzen, schließlich wollte ich ihn ja nicht vergraulen. Ob das vielleicht …?
Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitz. Der angeblich so aggressive Delfin war tatsächlich JoJo, der umgängliche Kerl, dem ich damals zusammen mit den beiden anderen in Pine Cay begegnet war und mit dem ich bei meinen späteren Inselbesuchen immer wieder in den Kanälen an der Südseite der Insel zusammen geschwommen war. Jetzt lebte er offenbar allein, seine beiden Kameraden waren jedenfalls nirgendwo zu sehen.
In den Gewässern um die Turks- und Caicosinseln waren die Delfine lange vor dem Auftauchen der ersten Menschen heimisch, und auch JoJo hatte hier sicher schon gelebt, bevor die ersten Hotels gebaut wurden. JoJo gehört zur Spezies der Großen Tümmler und damit zu einer der bekanntesten und meistverbreiteten Delfinarten. Atlantische Große Tümmler wie JoJo sind an der Oberseite schiefergrau und besitzen eine Rückenflosse und zwei kleinere spitz zulaufende Brustflossen. Die große Schwanzflosse mit ihrem gebogenen Rand und dem tiefen Einschnitt in der Mitte wird mittels der Bauch- und Rückenmuskulatur auf und ab bewegt und sorgt für den Vortrieb, der pfeilschnell sein kann. Die Schnabel oder Schnauze genannte Maulpartie ist beim Großen Tümmler eher gedrungen ausgebildet und hat etwas von einer Stupsnase. Man findet die Tiere in den tropischen und gemäßigten Bereichen aller Weltmeere. Überall jedoch und unter allen Bedingungen gilt, dass wir Menschen beim Eintauchen ins Wasser die Gäste dieser herrlichen Kreaturen sind.
Wie ich erfahren sollte, gab es in der Gegend von Grace Bay früher einmal eine Gruppe von fünfzehn bis zwanzig Delfinen, zu deren Jungtieren JoJo gehört haben könnte. Delfine sind gesellige Tiere, die in sogenannten Schulen von einigen wenigen bis zu Hunderten von Exemplaren zusammenleben.
Als das erste Ferienhotel mit dem Wasserskibetrieb im Lebensraum der Delfine anfing, räumten die Tiere innerhalb von drei Wochen das Feld. Ein paar Kleine schauten danach hin und wieder noch vorbei, mal einzeln, mal zu dritt, sie machten aber einen sehr verlorenen Eindruck. Manchen Leuten fiel
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