JoJo Und Ich
auch nur berührt, was aber nichts daran änderte, dass einige der Tauchschüler sein Verhalten als sehr beängstigend empfanden. Und wie sich dann zeigte, waren sie auch ohne direkten Kontakt in der Lage, sich in hochgefährliche Situationen zu bringen.
Im Nachhinein fiel mir jetzt auf, dass dieser Delfin ungefähr so groß war, eineinhalb Meter vielleicht, wie der nette Artgenosse mit seinen beiden Freunden, den ich bei meinem ersten Inselbesuch kennengelernt hatte. War er womöglich dieser Pfeifsprecher, den ich JoJo genannt hatte?
Am Spätnachmittag ging ich zu meiner gewohnten Schwimmrunde an den Strand. Im Wasser beobachtete ich große Seesterne und halb in den Sand eingegrabene Torpedobarsche. Sonst sah ich wie immer, wenn ich nah am Strand schwamm, nur hin und wieder kleine tropische Fische. Aber heute war es anders. Ich hatte beim Schwimmen das seltsame Gefühl, dass mir etwas folgte, doch immer, wenn ich mich umdrehte, sah ich nur das klare Wasser über dem weißen Sand und die Wasserbewegungen, die von meinen eigenen Schwimmstößen kamen.
Beim Überschwimmen einer etwas tieferen Stelle mit Seegras hatte ich deutlich das Gefühl, dass unter mir etwas lauerte. Als ich mich umdrehte, sah ich nur ein paar Zentimeter von meinen Füßen entfernt ein zahnbewehrtes klaffendes Maul und warf mich mit einem Ruck zur Seite. Das Herz klopfte mir bis zum Hals.
Aber ich beruhigte mich gleich wieder. Das Maul gehörte nicht zu einem Tigerhai, sondern zu einem Barrakuda, der es einfach nur so aufsperrte. Dass mir diese Fische bei meinen langen Schwimmausflügen folgten, war ich gewohnt.
Obwohl ich jetzt wusste, mit wem ich es zu tun hatte, be gleitete mich das mulmige Gefühl weiter, weshalb ich den Bar rakuda vorsichtshalber genau im Auge behielt. Ich schwamm bis zur ersten Biegung des leeren weißen Sandstrands, meinem gewohnten Umkehrpunkt. Das sonderbare Gefühl der Schutzlosigkeit machte mich sogar gegenüber diesem kleinen Fisch misstrauisch, der mir so hartnäckig folgte. Daher beschloss ich, mich auf dem Rückweg näher am Strand zu halten. Ins Flachwasser mochte mir der Barrakuda nicht folgen und empfahl sich.
Das Gefühl, verfolgt zu werden, hielt sich immer noch, und jetzt, da ich es nicht mehr auf den Barrakuda schieben konnte, beunruhigte es mich erst richtig. Ich hatte längst gelernt, meinen Instinkten zu vertrauen, also paddelte ich schnellstens Richtung Land, stand auf und nahm die Maske ab. Ich watete im flachen Wasser weiter, sah die Zirruswolken im Wasser ziehen und wusste einfach, dass gleich etwas diesen friedlichen Spiegel durchstoßen würde. Und dann sah ich auch schon die dunkle Rückenflosse, wie sie den Himmel zerschnitt und die Wolken halbierte.
Keine dreißig Meter vom Strand entfernt zog etwas mit gelassener Präzision seine Bahn. Ich trat zwei Schritte zurück und erkannte, dass es kein Hai war, der sich da anpirschte, sondern ein Delfin, und zwar anscheinend derselbe, der auch Grace Bay terrorisierte.
Nach allem, was ich gehört und selbst erlebt hatte, traute ich ihm nicht recht über den Weg, es reizte mich aber auch, ihm unmittelbar zu begegnen. Wirklich getan hatte er ja schließ lich niemandem etwas. Sicher, er hatte die Leute ganz schön ins Bockshorn gejagt, aber niemandem war auch nur ein Haar gekrümmt worden.
»Beißt du mich, wenn ich komme?«, fragte ich und wagte mich ins etwas tiefere Wasser vor. Ich setzte die Maske wieder auf, nahm den Schnorchel in den Mund und schwamm ein paar Schritte weiter. Ich wäre dem Delfin gern näher gewesen, andererseits aber war es sicher besser, in Strandnähe zu bleiben, damit ich schnell verschwinden konnte, sobald er unangenehm wurde. Manchmal hob ich den Kopf aus dem Wasser und sah dann, dass der Delfin mir folgte, unter Wasser aber reichte die Sicht nicht aus, um ihn klar zu erkennen und charakteristische Körpermerkmale auszumachen. Als ich beim Hotel ankam, folgte er mir immer noch. Aber er war so weit entfernt, dass ich mir kein klares Bild machen konnte. Während ich über die Leiter auf den Steg kletterte, wandte er sich ab und schwamm ins tiefere Wasser hinaus.
In den nächsten Tagen tauchte der Tümmler immer wieder einmal beim Wasserskisteg auf und trieb sich in Strandnähe unter den Booten herum. Zwar kamen wiederholt Gerüchte auf, jemand sei attackiert oder gebissen worden, mit eigenen Augen aber habe ich nie einen solchen Zwischenfall gesehen. Der Delfin folgte mir Woche um Woche auf meinen nachmittäglichen
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