JoJo Und Ich
ziemlich jeden Meeresbewohner, den man sich vorstellen kann. Einmal überraschte ich einen kleinen Ammenhai, der blitzartig durch einen zweiten Höhleneingang verschwand, vor dem sich allerdings JoJo auf die Lauer gelegt hatte. Es tat einen mächtigen Rumms, und dann sah ich nur noch eine Sandwolke. Als ich außen herum zur gegenüberliegenden Seite schwamm, war von Hai und Delfin nichts mehr zu sehen, nur der glitzernde Sand setzte sich allmählich wieder ab. Ich schaute mich um und entdeckte JoJo am Eingang einer anderen Höhle.
In die hatte er wohl den Hai hineingetrieben. Ich schwamm näher heran. JoJo stand in Kopfunter-Haltung vor dem Höhleneingang. Ich tauchte kurz auf, um Luft zu holen, und schlüpfte dann durch die eher kleine Öffnung, die sich aber nach innen zu einem breiten Korridor weitete. In allen Ecken und Ritzen schwebten kleine bunte Fische. Dann war im Boden eine weitere Öffnung zu sehen, und als ich den Kopf hindurchstreckte, sah ich drei ruhende Haie, deren Kiemen sich im Rhythmus der Atemzüge hoben und senkten. Bei diesem abenteuerlichen Anblick liefen mir Schauer durch den ganzen Körper.
Offenbar waren wir in diesen über Jahrtausende entstandenen Korallengebilden auf ein ganzes Labyrinth von Höhlen gestoßen. Was für ein Märchenreich! Ich fühlte mich wie in Neptuns von Seepferdchen gezogener Kutsche, huldvoll dem lächelnden Volk der Nixen und Wassergeister zuwinkend. Als Mensch verfügte ich allerdings über entschieden weniger Atemkapazität, sodass ich mich immer nur wenige Minuten lang in den Höhlen umsehen konnte, bevor mich der Sauerstoffmangel wieder an die Oberfläche trieb.
Wann immer ich aus einer Öffnung auftauchte, eskortierte mich JoJo an die Wasseroberfläche, um anschließend wieder zu einem neuen Spiel mit mir abzutauchen. Ich fand es sehr anrührend, wie er mich in jedes Loch und jeden Graben begleitete und überall da, wo er nicht hineinpasste, geduldig am Eingang wartete, bis ich meine Erkundung abgeschlossen hatte oder wieder Luft holen musste. Wir hatten uns sicher drei Stunden am Riff herumgetrieben, als mir auffiel, dass die Sonne schon ziemlich tief stand. Zum Strand waren es wohl an die zwei Kilometer, also mussten wir jetzt aufbrechen.
»Wir müssen los, wenn wir vor der Dunkelheit ankommen wollen«, sagte ich an der Oberfläche Wasser tretend zu JoJo. Als hätte er mich genau verstanden, sah er mich mit einem braunen Auge an und stieß eine mächtige Wolke Meerwasser aus, die wie ein Springbrunnen auf mich niederregnete.
Der lange Rückweg war nach den anstrengenden Spielen im Korallenriff mühsam, aber JoJo hielt sich dicht neben mir; gelegentlich streifte mich seine Brustflosse. Als wir uns dem Strand näherten, ging die Sonne bereits unter und verwandelte das tiefe Türkisblau des Wassers und den Hauch von Rosa am Himmel in Nachtblau mit einem luftigen Pinselstrich von hellem Purpur. Der Mond schimmerte auf dem Wasser und führte mich.
Im Flachwasser machte JoJo Gluckslaute und schob sich langsam vor mich. Das waren ganz neue Töne. Weshalb hatte ich sie noch nie gehört? Als ich mich in die Brandungswellen warf, wiederholte JoJo dieses hohl tönende Glucksen und Klicken, jetzt aber schon mit einer gewissen Dringlichkeit.
»Du willst wohl nicht, dass ich gehe, hm?«, fragte ich ihn grinsend.
JoJo antwortete mit einem weiteren Glucksen.
»Gut, schwimmen wir noch ein Stückchen«, sagte ich lachend, und wir tummelten uns noch ein Weilchen, bis die Gänsehaut mich daran erinnerte, dass es einem Menschen im Wasser kalt werden kann, einem Delfin jedoch nicht. Ich winkte zum Abschied und machte mich auf den Weg zur warmen Dusche.
Am nächsten Tag nahm mich Lisa nach dem Unterricht zur Seite.
»Du wolltest doch was über JoJos Delfinfreunde wissen«, raunte sie und sah mich bedeutungsvoll an.
Ich bejahte und ahnte schon, dass ich nichts Gutes zu hören bekommen würde.
»Ich glaube, der zweite ist von einem Boot angefahren worden.« Nach einer kleinen Pause deutete sie hinter sich und sagte: »Dieser Junge hat den Zusammenstoß gesehen und auch mitbekommen, wie der Delfin angeschwemmt wurde.«
Erst jetzt sah ich den mageren dunkelhäutigen Jungen, der schräg hinter ihr stand. Er trug die typischen abgeschnittenen Jeans und das verblasste T-Shirt der Inseljugend, und auf seinem kindlichen Gesicht lag ein trauriger Ausdruck. Aus braunen Augen blickte er zu mir auf.
»Du hast das gesehen?«, fragte ich.
»Ja.« Er nickte eifrig. »War ein ganz
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